Liebesfluch
auf, wenn ich mir vorstelle, wie Anja gerade die Kinderzimmertüre öffnet.
»Dann versprich mir, dass du sie nie aus den Augen lässt.« Seine Stimme zittert, aber er sagt es so flehend, dass es mir die Kehle zuschnürt. Wortlos und mit hängenden Schultern geht Ju schließlich zum Auto und setzt Bennie liebevoll in den Kindersitz, wo ihm sofort die Augen zufallen.
Ich setze Mia in den anderen Kindersitz, Ju öffnet die Fahrertür und hält sie mir auf. Für einen Moment glaube ich, er wird mich wegstoßen und mit den Zwillingen wegfahren, wird mich linken, wie vorhin im Haus.
Aber nein, er tritt einen Schritt zurück und sieht mich stumm an. Einen Moment starre ich in Jus Gesicht und eine Frage beginnt sich in meinem Kopf zu formen.
»Eins noch, Ju. Ich verstehe einfach nicht, warum du dich so sehr für diese Kinder interessierst! Kennst du die Zeltners?«
»Ich …« Er wischt sich über die Wangen und richtet sich auf. »Ich studiere Medizin und arbeite als Kinderpfleger in der Kinderklinik. Ich war auch so ein Opfer. Aber ich habe Glück gehabt, ich habe überlebt und werde dafür sorgen, dass Mütter damit nicht mehr durchkommen.«
Und warum glaube ich ihm das nicht?
Er muss meinen skeptischen Gesichtsausdruck gesehen haben, denn er wirft die Autotür ins Schloss. »Bitte, Blue, beschütze sie, und sobald du einen Beweis findest, ruf die Polizei.«
Er greift durch das offene Fenster und legt seine Hand auf meine Schulter. »Verzeih mir, wenn ich dir Angst gemacht habe, verzeih mir, dass ich dich benutzen wollte. Es tut mir leid, so unendlich leid.«
Ich lasse den Motor an, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll. Als ich auf das Gaspedal trete, merke ich plötzlich wieder, wie weh mir mein Fuß tut.
»Ju, wie heißt du eigentlich richtig, wo wohnst du, wo kann ich dich erreichen?«
»Ich bin immer in deiner Nähe. Da kannst du sicher sein.«
»Aber was ist, wenn ich Hilfe brauche?«
»Ich werde da sein. Ich werde dir ein deutsches Handy besorgen und meine Nummer einspeichern. Es wird morgen in deinem Zimmer liegen.«
Ich bin gerade nicht mehr in der Lage, mich über irgendetwas zu wundern. Deshalb nicke ich einfach und habe dabei nur noch ein Ziel vor Augen: die Zwillinge so schnell wie möglich nach Hause und in Sicherheit zu bringen.
Da ich auf dem schmalen Weg nirgends drehen kann, muss ich rückwärts fahren, was mir nach allem, was passiert ist, den Rest gibt. Meine Beine zittern, als wären sie an eine Stromleitung angeschlossen. Und meine Hände am Lenkrad sind so glitschig, dass ich sie andauernd an meinen Shorts abwischen muss.
Ich bete, dass die Zwillinge jetzt nicht aufwachen, und hoffe, dass die Zeltners nicht vor mir zu Hause sein werden.
Nach einer Ewigkeit erreiche ich die Schranke, sie ist noch oben, thank God! Ich fahre durch und kann endlich an einer Einbuchtung drehen. Und während ich durch den dunklen Wald fahre, höre ich immer wieder Jus Stimme:
Beschütze sie.
Ich war auch ein Opfer.
Sie werden sterben.
Ich fahre schneller.
18.
Außerdem ging es dir immer besser, wenn deine Mutter nicht in der Klinik war, und so kam es, dass ich anfing, einen ungeheuerlichen Verdacht zu schöpfen.
Schon von Weitem sehe ich das Haus der Zeltners. Alle Außenlampen sind angeschaltet und auch von innen quillt Licht in die Nacht.
Ich brauche eine gute Ausrede. Eine sehr gute Ausrede.
Etwas, das sie mir glauben, denn wenn ich erzähle, was wirklich passiert ist, müssten sie mich sofort entlassen, und ich habe Ju versprochen, die Zwillinge zu beschützen. Also muss ich alles tun, um meinen Job zu behalten – auch wenn ich immer noch nicht glauben kann, was Ju mir gerade erzählt hat.
Als ich in die Garage fahre, stürzen Anja und Stefan aus dem Haus. Sie reißt die Fahrertür auf. »Wo warst du?« Ihre Worte hacken auf mich ein, schneidend wie ein Fallbeil. Unwillkürlich zucke ich zusammen, schrumpfe. Hat sie etwas am Lack entdeckt, das ihr unser Abenteuer verraten könnte? Ich richte mich wieder auf, lehne mich ein Stück nach draußen und mustere verstohlen das Auto. Erleichtert stelle ich fest, dass es den Ausflug durch den Wald ohne große sichtbare Schäden überstanden hat.
Stefan kommt näher. »Jetzt lass sie doch erst mal aussteigen.«
Ich versuche aufzutreten, aber ich schaffe es nicht. Das bringt mich auf eine gute Idee. »Mein Fuß …«, stottere ich, »deshalb wollte …«
Anja verdreht die Augen. »Erzähl mir keine Märchen, was hattest du mit den Kindern um
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