Liebesfluch
Arnika-D6-Kügelchen, das hilft beim Abschwellen.« Sie steht wieder auf. »Es tut mir leid, wenn ich vorhin etwas grob war, ich habe mir nur solche Sorgen um die Kinder gemacht … Ich wusste ja nicht, was los war.« Ihre Augen füllen sich mit Tränen. Stefan geht auf sie zu und umarmt sie.
»Ich verstehe das«, sage ich und denke daran, dass ihr Sohn vor langer Zeit entführt worden ist – und nie wieder gefunden wurde. Und dann schäme ich mich, dass ich Ju überhaupt auch nur eine Sekunde lang zugehört habe.
Anja schnieft, wehrt Stefans Arme ab und geht zur Gästetoilette. Ich kann hören, wie sie den Medizinschrank öffnet.
Stefan zuckt mit den Schultern. »Irgendwann muss man sich mit seinem Schicksal versöhnen, sonst wird man krank davon«, flüstert er vor sich hin, geht zum Sideboard und holt von dort ein Glas Whiskey. »Willst du auch eins?«, fragt er, nachdem er einen großen Schluck aus seinem Glas getrunken hat.
Ich schüttle den Kopf und kapiere wie so oft nicht, was in diesem Stefan vor sich geht. Manchmal ist er so nett und dann wieder so … grob.
Anja ist zurück, hält mir ein Schälchen mit Tabletten unter das Kinn und dann noch merkwürdige winzige Kügelchen, die aussehen wie Zuckerperlen für Mikrofeen. Sie reicht mir ein Glas Wasser und wirft einen abfälligen Blick auf das Whiskeyglas in Stefans Hand.
»Nimm das, und du wirst sehen, morgen geht es dir wieder besser.« Sie lässt mich nicht aus den Augen, bis ich die drei Tabletten genommen habe. »Diese vier Kügelchen lässt du unter der Zunge zergehen. Und jetzt sollten wir alle ins Bett gehen.«
Ich kann nur noch nicken, schaffe es immerhin, mich vom Sofa hochzustemmen, ohne umzufallen, dann steht zum Glück schon Stefan da, der mich diesmal nicht trägt, aber bis zu meinem Zimmer stützt und mich dort ins Bett verfrachtet.
Ich muss dauernd gähnen, so dermaßen müde bin ich.
»Wenn du Hilfe brauchst, dann kannst du dich jederzeit an mich wenden.«
Ich kann nur noch nicken.
»Ich meine nicht nur wegen dem Fuß, sondern falls es noch etwas anderes geben sollte. Falls dich jemand belästigen sollte.«
Verblüfft starre ich ihn an. »Wie kommst du denn auf die Idee?«
Er greift in seine Hosentasche. »Das hier habe ich auf der Treppe gefunden, das musst du verloren haben. Es sieht so aus, als wäre es gerissen.« Stefan zieht Grannies Bettelarmband aus seiner Tasche und reicht es mir.
Mein Herz macht einen Sprung. Ich habe nicht einmal bemerkt, dass es nicht mehr da ist!
»Als ich es gefunden habe, musste ich komischerweise an den jungen Mann denken, der heute Nachmittag bei dir war. Ich will dir ja nicht zu nahe treten, Blue. Du kannst natürlich treffen, wen du willst. Aber auf mich hat er eher einen …«, Stefan ringt um Worte, »… einen gehetzten Eindruck gemacht. Ich hoffe, ihr hattet keinen Streit oder so was?«
»Ich, äh, nein, also, danke. Danke für das Armband.« Mehr fällt mir dazu nicht ein. Wenn Stefan Ju schon suspekt war – was würde er dann erst über Felix sagen? Aber ich werde ganz bestimmt nicht erzählen, was heute Abend auf dem Holzdeck passiert ist – und vor allem, was danach geschehen ist …
Stefan legt das Armband auf meinen geöffneten Handteller, dann dreht er sich um und geht. Er ist schon fast zur Türe raus, als er noch mal stehen bleibt. »Wir sollten Anja nichts davon sagen, dass du Besuch hattest. Sie reagiert einfach über, wenn es um die Zwillinge geht. Auch das, was sie vorhin in der Garage gesagt hat, war nicht so gemeint. Tja, also dann, gute Nacht.« Er verlässt das Zimmer und schließt leise die Tür hinter sich.
Ich starre auf Grannies Armband, das zerrissen ist. Meine Hand fängt an zu zittern und mein Herz schlägt schneller, denn das Armband ist nicht nur kaputt. Nein, an Grannies Armband klebt etwas Rotes.
Es sieht aus wie Blut.
19.
Doch weil ich es selbst kaum glauben konnte, ließ ich mich zum Nachtdienst versetzen, um sie zu beobachten, wenn sie nachts bei dir blieb. Und wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, dann hätte ich es auch nicht für möglich gehalten.
Es ist noch dunkel, als ich mit schrecklichen Bauchkrämpfen aufwache, wie ich sie sonst nur kenne, wenn ich meine Tage habe, aber die sind gerade vorbei. Nein, das hier muss etwas anderes sein.
Ich stehe viel zu schnell auf und falle prompt vor meinem Bett hin, weil ich wegen der Krämpfe vergessen habe, dass mein Fuß lädiert ist. Auf allen vieren krieche ich zum Klo und hoffe, dass
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