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Liebesfluch

Liebesfluch

Titel: Liebesfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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vor sich hin und nickt, wie um sich zu beruhigen.
    Er ist vollkommen versunken darin, Anja zu betrachten. Seine Hand löst sich von ihrem Hals, wo er mit den Fingerspitzen ihren Puls gefühlt hat, er dreht seine Hand um, wandert mit dem Handrücken über ihre Wange und streichelt sie, als wäre sie ein Kind. Er löst sich von den Knien, beugt sich vor, legt seinen Kopf auf ihre Brust und umschlingt sie mit einem erleichterten Seufzen, fast, als hätte er darauf sein ganzes Leben gewartet. Seine Schultern beginnen zu zucken, er weint.
    Ich fasse es nicht. Was soll das denn? Er hat gesehen, wie Anja ihrer Tochter einen Schubs gegeben hat, er umarmt eine Mörderin!
    »Ju, Ju!« Ich gehe neben ihm in die Knie und rüttle an seiner Schulter. »Ju, komm zu dir, spinnst du?«
    Er erstarrt unter meiner Berührung, dann löst er sich von Anja, schnieft mehrfach und dreht sich zu mir um. Seine Augen suchen meine. Sie sind schwarz wie übergroße Pupillen, die Wimpern kleben nass zusammen. Er wischt sich mit dem Handrücken die Nase ab. Dann beißt er sich auf die Lippen, streckt sein Kinn vor, ringt nach Beherrschung, aber kein Wort kommt über seine Lippen.
    »Jetzt rede schon, Ju, sag endlich, was zum Teufel hier los ist!«
    Neue Tränen rollen aus seinen Augen. Er räuspert sich, schüttelt den Kopf, aber schließlich redet er doch.
    »Anja ist meine Mutter.« Sein Mund verzerrt sich zu einem schiefen Lächeln, das sofort in hoffnungsloses Schluchzen übergeht.
    Nur sehr langsam wird mir klar, was seine Worte bedeuten. Und obwohl ich nicht verstehe, wie das möglich sein kann, glaube ich ihm.
    Ich glaube ihm.
    Und deshalb beuge ich mich vor und küsse ihn mitten auf den Mund, der salzig schmeckt und auch süß. Dann presse ich meine Arme um ihn und halte ihn fest.
    Seine Mutter.
    Plötzlich ergibt alles einen Sinn.

26.
    Doch da waren wir schon auf dem Weg zur Autobahn nach Innsbruck, wo ich alles für dich vorbereitet hatte. Auch meine Nachbarn wussten, dass ich den Sohn von der Oma holen würde.
    Eine halbe Stunde später sind Ju und ich mit den Zwillingen allein. Stefan ist mit Anja ins Krankenhaus gefahren, vorher hat er den Notarzt noch gebeten, die Zwillinge zu untersuchen. Zum Glück hatten die beiden nichts wirklich Schlimmes; Bennies Herzschlag war leicht erhöht, aber alle anderen Werte waren normal.
    Stefan war erst wieder nach unten gekommen, als der Notarzt schon da war, und Ju war froh darüber, denn es war ihm peinlich, dass er so geweint hat.
    Anja war nach zwei Minuten wieder aufgewacht, hatte dann aber so getan, als wäre sie völlig verwirrt und würde weder wissen, wo sie ist, noch wer wir sind. Die Sirenen der Ambulanz und die Untersuchung durch den Arzt haben Mia und Bennie unruhig gemacht, deshalb sitzen wir nun mit ihnen draußen auf dem Deck. Es ist jetzt definitiv zu spät für ein Mittagsschläfchen und zu früh, um sie schon für die Nacht ins Bett zu legen.
    Doch ich bin ganz froh, Mia auf dem Schoß zu haben, und mir kommt es vor, als ob wir die beiden als eine Art Schutzschild benutzen, weil wir nicht wissen, wie wir uns jetzt verhalten sollen. Der Kuss brennt noch immer auf meinen Lippen. Vorhin habe ich gedacht, das wäre das einzig Richtige, Ju hat so entsetzlich traurig gewirkt, da wollte ich einfach ganz nah bei ihm sein. Ihm zeigen, dass er nicht alleine ist. Und er hat meinen Kuss erwidert, es war ein langer Kuss, sehr lang. Doch nun sitzen wir verlegen hier auf dem Deck, ich klammere mich an Mia, Ju hält sich an Bennie fest.
    Ich starre in den Garten und vermeide es, in Jus immer noch verweintes Gesicht zu schauen. Dabei kreisen meine Gedanken nur um ihn und das, was er gesagt hat. Dass Anja seine Mutter wäre.
    Mia und Bennie sind auf einmal vollkommen ruhig, als wollten sie, dass wir endlich reden, als wären auch sie neugierig zu erfahren, was hier eigentlich los ist.
    »Es ist so«, fängt Ju schließlich an und durchbricht unser Schweigen. »Du hast doch die Zeitungsartikel in der Mappe gelesen. Dieses Kind, das entführt wurde, dieser kleine Jan … also, das bin ich.«
    »Du bist Jan?«, frage ich ungläubig und in meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken. Das Babyfoto mit der schwarzen Trauerschleife fällt mir wieder ein und ich kann es kaum glauben, dass der kleine Junge, der darauf zu sehen ist, nicht tot ist, sondern gerade neben mir sitzt. Dass ich ihn geküsst habe. »Aber wie ist das möglich?«
    »Bis vor Kurzem habe ich geglaubt, dass ich Julius heiße und der Sohn

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