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Liebeskind

Liebeskind

Titel: Liebeskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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eingeschaltet, anstatt dich um die Jungs zu kümmern“, vollendete Anna seinen Satz. „Werde endlich erwachsen, Tom.“
    „Soll ich mir jetzt etwa den Gürtel aus der Hose ziehen und Ben übers Knie legen? Möchtest du vielleicht, dass ich etwas in dieser Art unternehme?“
    Anna lachte bitter.
    „Hör doch bitte mit dem Kinderkram auf und lass uns lieber überlegen, wie es weitergehen soll. Ich habe Bengesagt, dass sein Handeln Konsequenzen für ihn haben wird und dass wir ihm morgen sagen werden, wie diese aussehen.“
    „Und, wie stellst du dir die Konsequenzen vor?“
    „Zuerst einmal möchte ich wissen, wie wir deiner Meinung nach reagieren sollten.“
    Tom starrte in den Fernseher und schwieg.
    „Hast du denn wirklich überhaupt keine einzige Idee dazu, Tom?“, fragte Anna wütend nach.
    „Ich lasse mir von dir kein Gespräch aufzwingen, schon gar nicht, wenn du in dieser Stimmung bist. Das führt doch zu nichts anderem als Streit.“
    „Manchmal lässt sich ein Streit eben nicht vermeiden. Gut, wenn dir nichts dazu einfällt, möchte ich Folgendes vorschlagen. Zuerst einmal sollten wir Ben das Taschengeld streichen, ab sofort hat er uns zu fragen, wenn er etwas kaufen will. Außerdem möchte ich sein Sparbuch an uns nehmen. Schließlich scheint er bisher jede Menge Geld übrig gehabt zu haben, mit dem er sich das Gras kaufen konnte. Damit muss Schluss sein.“
    „Hört sich gut an.“
    „Auch sollte Ben bis auf Weiteres nicht nur unter der Woche, sondern auch an Freitagen und Samstagen spätestens um acht Uhr abends zu Hause sein müssen. Und er muss von uns mehr Pflichten übertragen bekommen. So könnte er zum Beispiel seinen Bruder Paul zukünftig regelmäßig vom Tennis abholen.“
    „Meinst du nicht, dass wir damit etwas zu weit gehen, Anna? Ich befürchte, dass sich Ben ganz von uns abkehrt, wenn wir ihn zu hart bestrafen. Wann soll das Gespräch mit ihm überhaupt stattfinden?“
    „Morgen Abend, sobald ich von der Arbeit zurück bin. Warum?“

    „Weil ich morgen Abend zu einem Geschäftsessen mit Herrn Meyerding verabredet bin. Und ich kann den Termin unmöglich verschieben, immerhin geht es um einen neuen Auftrag.“
    „Dann werde ich wohl allein mit Ben reden müssen“, blaffte Anna zurück und machte auf dem Absatz kehrt. In der Küche räumte sie, wie so oft, das von ihrer Familie nach dem Essen stehen gelassene Geschirr weg. Am liebsten hätte sie Tom jetzt von seinem Fernsehsessel hochgescheucht und ihre Jungen für eine weitere Standpauke aus den Betten geholt, war dazu aber viel zu müde. Was lief nur schief in ihrem Leben? Warum, zum Teufel, kam niemand in ihrer Familie auf die Idee, sie ein wenig zu unterstützen? Und weshalb konnte Tom nicht endlich einmal eine klare Position gegenüber Ben beziehen? Was war der Grund dafür, dass er sich ständig aus allem herauszuhalten versuchte?
    Hatte Anna vor ein paar Tagen nicht noch glücklich gedacht, dass zwischen Tom und ihr alles wunderbar lief? Heute jedoch hatte sie das Gefühl, ohne ihn besser dran zu sein, jedenfalls was die Erziehung ihrer Kinder betraf.
    Als Elsa an diesem Abend ihren Beobachtungsposten vor Doreens Haus bezog, parkten zwei Wagen vor der Einfahrt, die sie dort noch nie gesehen hatte. Das untere Stockwerk war hell erleuchtet, und vor dem Eingang brannten hohe Windlichter. An der Haustür hing ein mit weihnachtlichen Schleifen geschmückter Adventskranz aus Buchsbaum und rot leuchtenden Vogelbeeren. Elsa stieg leise aus dem Auto. Sie schaute sich vorsichtig nach allen Seiten um, damit kein neugieriger Nachbar auf sie aufmerksam wurde, und suchte Schutz im Schatten der Lebensbaumhecke. Jetzt konnte sie hören, wie drinnen im Haus des Tischlers Musik gespieltwurde. „Kommet ihr Hirten“, ein altes Weihnachtslied, das Elsa in ihrer Kindheit sehr geliebt hatte. Vorsichtig reckte sie den Kopf über die Hecke. Die Vorhänge waren nicht zugezogen und gaben den Blick auf eine festlich gedeckte Tafel frei, vor der zwei Kinder standen. Ein Mädchen, das wie Doreens Tochter Martha aussah, und ein kleiner Junge hielten Blockflöten in den Händen. Ihr Spiel klang selbst in dieser Entfernung noch recht holprig und falsch. Doch als sie endeten, klatschten die Erwachsenen begeistert Beifall. Elsa schlich zu ihrem Wagen zurück und verfluchte schon nach ein paar Minuten stillen Sitzens, dass sie vergessen hatte, die Wolldecke aus ihrem Zimmer mitzunehmen. Bestimmt wäre die Zeit schneller vergangen, hätte sie wenigstens

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