Liebeskind
wurde. Und noch immer gilt der Grundsatz, dass kein Anleger vor den Konsequenzen seiner Gutgläubigkeit oder Dummheit geschützt ist. Jemand, der sich im Vorfeld nicht ausreichend informiert hat und die Verantwortung für sein Eigentum abgibt, indem er Vollmachten unterschreibt, ohne diese aufmerksam zu lesen, darf sich hinterher eigentlich nicht beklagen. Wie heißt es so schön? Eigentum verpflichtet.“
„Also müssen wir weiterhin sowohl die Unterlagen von Rainer Herold als auch die von Hajo Wieland nach Kundendurchforsten, die durch mögliche Beratungsfehler der beiden zu Schaden gekommen sind“, nahm Sigrid Markisch den von Weber begonnenen Gesprächsfaden auf. „Außerdem gehe ich nach wie vor davon aus, dass Torsten Lorenz mit Rainer Herold zusammengearbeitet und seinen Schulfreund mit Kunden versorgt hat, die er zuvor im eigenen Umfeld akquiriert hat. Daher glaube ich auch Dirk Adomeit kein Wort, wenn er behauptet, von Hajo Wieland beraten worden zu sein. Ganz im Gegenteil gehe ich davon aus, dass er seinen Geldverlust allein den Herren Herold und Lorenz zu verdanken und somit das stärkste Motiv von allen Verdächtigen gehabt hat, die beiden zu ermorden.“
„Aber es ist doch längst erwiesen, dass Dirk Adomeit von niemand anderem als Hajo Wieland beraten wurde“, widersprach Anna. „Haben Sie denn etwa immer noch nicht die Kopie seiner Vollmacht an die Maschener Kreissparkasse zur Kenntnis genommen?“
„Ja, Sie haben Recht, Frau Greve“, lenkte Sigrid Markisch ein. „Aber vielleicht finden wir in den Unterlagen außer Herrn Adomeit noch einen weiteren geschädigten Anleger, der Rainer Herold und Torsten Lorenz genug gehasst hat, um sie mit dem Tod zu bestrafen.“
„Auch das wäre möglich, Frau Markisch“, überlegte Günther Sibelius. „Doch ebenso könnte Herr Herold mit Hajo Wieland gemeinsame Sache gemacht haben, und dann könnte Herr Wieland tatsächlich in großer Gefahr schweben. Ich habe bereits bei den Kollegen von der Dienststelle für Kommissionsermittlungen hier im Haus um personelle Unterstützung gebeten. In deren Abteilung läuft zurzeit alles recht ruhig, daher haben sich ein paar Kollegen bereiterklärt, die Überwachung von Hajo Wieland in den kommenden Tagen zu übernehmen. Für uns bleiben die Nachtschichten.Wir sollten jetzt also sofort einen Dienstplan austüfteln und gar nicht erst einen offiziellen Antrag auf personelle Unterstützung stellen. Das würde nur ewig dauern, und es wäre damit auch noch lange nicht sichergestellt, dass uns Schönauer die benötigte Hilfe überhaupt bewilligt. Mit anderen Worten: Wenn wir so lange warten, bis Hilfe von oben kommt, könnte Hajo Wieland längst tot sein und seine Kinder schon ihren Antrag auf Hinterbliebenenrente eingereicht haben. In jedem Fall wird diese Maßnahme jedoch eine Menge Überstunden für uns bedeuten. Sind Sie trotzdem einverstanden?“
Die anderen nickten.
„Dann kommen wir jetzt zur Einteilung, ich schlage vor, wir legen unsere Schichten erstmal nur für diese Nacht bis morgen früh um sieben Uhr fest.“ Sibelius schaute auf seine Armbanduhr. „Wenn es Ihnen recht ist, beginnen Sie, Frau Greve, und Frau Markisch mit der ersten Schicht bis um Mitternacht, ich übernehme die restlichen Stunden. Der Kollege Weber wird dagegen zu Hause bleiben und derweil seinen Rücken pflegen. Übrigens möchte ich Herrn Wieland morgen im Verlauf des Nachmittags in meinem Büro sehen“, fügte er mit einem Blick auf Lukas Weber an.
„Wie wäre es, wenn wir vor der Nachtschicht im „Maschener Hof“ noch eine Kleinigkeit zusammen essen,“ schlug Anna der Giraffe vor, nachdem die Dienstbesprechung beendet war. „Vielleicht könnten Sie mich anschließend netterweise kurz zu Hause absetzen. Ich muss dort vorher noch eine Kleinigkeit erledigen und komme dann mit meinem eigenen Wagen nach.“
Sigrid Markisch nickte, und Anna konnte sehen, dass es ihr nicht leicht fiel. Aber sie nickte.
Als Anna wenig später ihr Haus betrat, rief sie bereits im Flur nach Ben, der daraufhin sofort die Treppe aus dem ersten Stockwerk heruntergelaufen kann.
„Das mit dem Joint von gestern tut mir echt leid, Mam“, lächelte er Anna schuldbewusst an. „Wenn du willst, können wir auch gleich zusammen mit Paul essen, ich habe schon den Tisch gedeckt. Möchtest du einen Tee trinken?“
„Lieb von dir“, sie legte eine Hand auf seine Schulter, „aber ich habe leider nur wenig Zeit, denn ich muss heute Abend noch einmal los. Setz
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