Liebeskind
zurück. Und zum ersten Mal, seit Anna die Giraffe kannte, war deren Lächeln auch bei ihr angekommen.
Elsa in Maschen, im Sommer 1986.
Herr Wegener, der Busfahrer vom MVV, hatte Elsa zehn Mark in die Hand gedrückt. Nach dem Mittagessen sollte sie mit Miriam ins Dorf gehen, um sich und der Prinzessin von dem Geld ein Eis zu kaufen. Sie könnten sich ruhig Zeit damit lassen, hatte Herr Wegener gesagt. Während er mit Elsa redete, stachen seine Augen zu Vera hinüber, dann ging er zum Kühlschrank, um sich ein Bier herauszunehmen. Robin war an diesem Nachmittag nicht zu Hause, er würde noch bis zum Abend auf einem Schulausflug unterwegs sein. Elsa beobachtete ihre Mutter, die in ihrem neuen weißen Rock vor dem Herd stand und kochte. Unter dem dünnen Stoff zeichnete sich die Form ihres Slips ab. Viel zu eng war dieser Rock und auch zu kurz für eine Frau ihres Alters, fand Elsa.
„Wenn du willst, gebe ich dir fünf Mark ab, und du gehst zu Frederike hinüber. Das Geld reicht auch für euch zwei“, schlug Elsa ihrer kleinen Schwester Miriam kurz darauf auf der Straße vor, nachdem sie beide bereits angebrannte Kartoffelpuffer hinuntergewürgt hatten.
Miriam lächelte verschlagen.
„Der Onkel Wegener hat aber gesagt, dass du auf mich aufpassen sollst. Wir können Frederike doch abholen und dann zusammen mit ihr zum Eisladen gehen.“
„Nein, wir machen das allein.“
Elsa hielt die Hand ihrer kleinen Schwester fest gepresst und zog sie die Straße bis zum Dorfplatz entlang.
„Aua, das tut weh.“
„Dann geh doch alleine, blöde Kuh.“
Vor dem Café saßen Torsten und die anderen an einem Tisch in der Sonne und ließen sich ihr Spaghettieis schmecken. Miriam wurde von Doreen freundlich begrüßt, aber durch Elsa schaute sie hindurch, als wäre sie Luft. Nur Torsten nickte Elsa zu, und sie spürte, wie ihre Wangen anfingen zu glühen. Schnell wandte sie ihr Gesicht ab, als sie mit Miriam in den Laden hineinging.
„Warum ist Doreen eigentlich nicht mehr deine Freundin?“
„Hör auf zu quatschen, welche Sorte willst du?“
Auf dem Nachhauseweg war Miriam vor allem mit ihrem großen Becher Eis beschäftigt. Sie bemerkte nicht einmal, wie sich ihre Füße gefährlich dicht am Rand des Bürgersteigs bewegten, und auch für die vorbeirasenden Lastwagen aus dem nahe gelegenen Kieswerk hatte sie keinen Blick übrig. Elsa hatte die Gefahr sofort erkannt, doch sie griff nicht ein, schließlich war die Prinzessin alt genug, um auf sich allein aufzupassen. Miriam lächelte ihre große Schwester schief an. In ihrem Mund fehlte ein Vorderzahn, und ihr Gesicht war eisverschmiert.
„Komm, Elsa, wir gehen auf den Spielplatz. Du kannst mich anschubsen.“
Gegen Mittag trafen sich die Kommissare zu einer weiteren Besprechung in Annas und Webers Büro. Günther Sibelius schien, unrasiert und erschöpft, wie er aussah, kaum mehr als eine oder zwei Stunden geschlafen zu haben, falls er überhaupt dazu gekommen war, sich nach seiner Nachtwache eine Weile auszuruhen.
„Bei Hajo Wieland ist in der vergangenen Nacht alles ruhig geblieben“, begann er mit müder Stimme. „Ichhabe während meiner gesamten Dienstzeit nicht oft eine Person überwacht, die sowohl Täter als auch Opfer sein könnte.“
Nachdem Anna über Hajo Wielands gestrigen Besuch im Haus der Lorenzens berichtet hatte, wandte sich Günther Sibelius an Lukas Weber.
„Und was haben Sie bis jetzt herausbekommen, Herr Kollege?“
„Im Fall von Monika Diebach-Meyer funktioniert die Gerüchteküche mehr als zufriedenstellend, Chef. Ich habe mich gleich heute früh auf den Weg nach Hannover gemacht und bei ihrer Arbeitsstelle im Gesundheitsministerium nachgefragt. Dort scheint es einige Leute zu geben, die der Frau nicht gerade wohlgesinnt sind. Ihre Ehe mit dem Informatiker Wilfried Meyer soll schon seit mehreren Jahren nur noch auf dem Papier bestehen. Der Grund liegt für die Meisten darin, dass Frau Diebach um jeden Preis Karriere machen wollte und sich deshalb zu wenig um ihren Mann gekümmert hat.“
Anna runzelte verärgert die Stirn, und Weber, der dies bemerkte, fügte hinzu: „Diese Einschätzung ist übrigens ausschließlich von einigen ihrer weiblichen Mitarbeiter gekommen. Dagegen haben sich die Männer, die mit Monika Diebach-Meyer zusammenarbeiten, vor allem über ihre Humorlosigkeit beklagt und sehr stark bemängelt, dass sie überhaupt nicht kompromissfähig ist. Ich habe außerdem noch einmal in dem Hotel in Hamburg nachgehakt, in
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