Liebeskind
Wunsch erfüllt und den Kobold mit dem Gesicht ihrer Mutter besucht. Hatte Robin tatsächlich, wenn auch nur für einenMoment, geglaubt, Elsa in die aufopfernde Pflege Veras mit einspannen zu können? Nein, er würde ihr nicht weiterhelfen können, Robin trug das wirre Fadenknäuel ihres Lebens nicht in seiner Hand. Das hatte er nie getan.
Als Weber am nächsten Morgen ins Büro kam, schleppte er sich unter Stöhnen zu seinem Schreibtisch. Er verzog das Gesicht, ließ sich umständlich auf seinem Stuhl nieder und blieb dort unbeweglich mit gebeugtem Rücken sitzen. Seinen Nacken hielt er unnatürlich durchgestreckt, damit er besser auf den Bildschirm sehen konnte.
„Morgen, Weber“, empfing ihn Anna mit einem Becher Kräutertee, den sie vor ihn auf den Schreibtisch stellte. „Haben Sie etwa mehrere Bücherkisten auf einmal getragen?“
„Nein“, gab er verlegen zurück. „Mir ist auf der Leiter schwindlig geworden. Deshalb habe ich den Halt verloren und bin runtergefallen.“
„Ist sie sehr hoch gewesen?“
„Nein, es war nur eine Trittleiter mit drei Stufen. Eigentlich gar nicht so wild, wenn ich mir dabei nicht den Rücken verrenkt hätte.“
„Sie sollten endlich etwas gegen Ihre Höhenangst unternehmen, Weber. Wie wollen Sie jemals in der Lage sein, einen Verbrecher zu jagen, wenn schon jede Grasnabe zum unüberwindlichen Hindernis für Sie wird.“
Anna lächelte.
„Was Sie jetzt unbedingt brauchen, ist ein schnell wirkendes Rheumamittel und etwas gegen ihre Schmerzen. Die Verspannung in Ihrem Rücken wird nur nachlassen, wenn Sie sich möglichst normal bewegen. Wenn Sie jedoch weiterhin diese Schonhaltung einnehmen, wird alles nurnoch schlimmer. Ich informiere kurz den Chef, dass wir unsere Besprechung verschieben müssen, anschließend bringe ich Sie zum Arzt.“
Weber schaute sich beunruhigt um, aber von Antonia Schenkenberg, die ihrem Gespräch unter der Tür stehend gefolgt war und zu Annas Worten beipflichtend genickt hatte, würde er keine Unterstützung bekommen.
„Geben die mir eine Spritze?“
„Das wäre sehr zu wünschen, wird aber leider nur noch selten gemacht.“
Zwei Stunden später saßen Anna und ein sichtlich entspannter Lukas Weber wieder in ihrem Büro. Der Arzt hatte sich seiner erbarmt und ihm eine schnell wirkende Spritze gegen die Schmerzen verabreicht. Stirnrunzelnd las Weber nun den Beipackzettel des Rheumamittels, nahm eine Tablette heraus und spülte sie anschließend mit einem großen Schluck Wasser hinunter.
Während Weber sein Glas erneut mit Wasser füllte, klopfte es an der Tür, und Günther Sibelius trat, gefolgt von Sigrid Markisch, ins Büro.
„Schön, dass Sie wieder an Bord sind, Kollege Weber“, eröffnete Sibelius die Dienstbesprechung.
„Ja, allerdings befürchte ich, für den Außendienst noch nicht ganz tauglich zu sein.“
„Das macht nichts, dann koordinieren Sie eben die Rechercheergebnisse zu Monika Diebach-Meyer und Hajo Wieland. Ab morgen werden also alle Fäden bei Ihnen zusammenlaufen, Weber. Wir müssen mehr über die beiden herausbekommen. Drehen Sie jeden Stein um, Kollegen, und kümmern Sie sich dabei nicht nur um Fakten, sondern haben Sie auch ein Ohr für Gerüchte und private Geschichten.“
„Ich habe mich übrigens bereits gestern von zu Hause aus ein wenig darüber informiert, unter welchen Bedingungen und Voraussetzungen hochspekulative Geldanlagen wie Warentermingeschäfte abgeschlossen werden“, fügte Weber an.
„Erzählen Sie“, forderte ihn Günther Sibelius auf.
„Die Risiken solcher Geldanlagen sind schnell zu begreifen“, erläuterte Weber. „Mit etwas Glück kann man in kurzer Zeit große Gewinne erzielen. Aber wenn Aktien und Anteile in die Miesen gehen, haftet der Anleger dafür, und zwar auch über den eigenen Investitionsbetrag hinaus. Und das mit seinem gesamten Vermögen, es sei denn, er hat vorher ein Limit festgelegt.“
„Das heißt, man wird sogar über den ursprünglichen Wert seiner Anlagen hinaus zur Verantwortung gezogen?“ Günther Sibelius schaute ungläubig in die Runde.
„Genau“, bestätigte Weber. „Ich habe mich beim Deutschen Schutzverein für Wertpapierbesitz nach der Sachlage erkundigt, und besagter Haftungsfall tritt leider immer wieder bei privaten Anlegern infolge irgendwelcher Börsenirritationen ein. Oftmals sind die Anleger nicht umfassend über die Risiken informiert worden und haben daher Bankvollmachten unterschrieben, in denen kein Limit festgeschrieben
Weitere Kostenlose Bücher