Liebeskind
Kaufhauskantine hinüber. Der Elefant am Revers von Marthas Jacke strahlte um die Wette mit ihren Augen. Die Kleine saß in der überheizten Kaufhausluft vor ihrem Eisbecher und war noch immer nicht dazu zu bewegen, endlich ihre Winterjacke auszuziehen. Jeder sollte ihn sehen, ihren wunderbaren, sterngeschmückten Elefanten. Doreen konnte kaum fassen, wie viel Glück sie doch mit diesem Kind hatte. Und wie viel Glück erst mit ihrem Mann Arno. Er würde es sicher nicht verstehen, wenn sie ihm die Geschichte von Elsa erzählte und somit ihren Verrat gestand. Was würde von seiner Königin übrig bleiben, wenn Arno erst begriffen hatte, wie gemein und niederträchtig Doreen sein konnte. Zu einer Königin passte nun einmal kein gehässiges Lachen. Seitdem Doreen die grün emaillierten Kleeblätter mit eigenen Augen in der Auslage gesehen hatte, ging es ihr auf einmal viel besser, und vor allem fühlte sie sich nicht mehr verfolgt. Wie viel Schaden ein schlechtes Gewissen doch anrichten konnte, dachte sie erleichtert. Und obwohl es dabei um eine Geschichte ging, die schon vor so langer Zeit geschehen war, hatte sie sich dermaßen in sie hineingesteigert, dass sie fast alles andere darüber vergessen hatte. Nein, Elsa hatte ihr kein Zeichen gesandt, und diese Kleeblattgeschichte war nichts weiter als ein Zufall gewesen. Doreen fühlte sich von einer großen Anspannung befreit und nahmsich daher vor, auch weiterhin über die Sache mit Elsa zu schweigen.
Zehn Minuten vor drei Uhr klopfte Anna mit einem Becher Kaffee in der Hand an die Bürotür ihres Chefs. Als Anna eintrat, stand Sibelius mit aufgeknöpftem Oberhemd vor dem Waschbecken und rasierte sich.
„Danke, Frau Greve, das ist wirklich nett von Ihnen“, freute er sich und trank einen großen Schluck Kaffee. „Gehen Sie ruhig schon einmal vor, ich komme gleich nach.“
Als Günther Sibelius in Annas Büro trat, hatte die Befragung von Hajo Wieland bereits begonnen.
„Machen Sie eigentlich auch heute noch Musik, Herr Wieland? Schließlich sollen Sie in Ihrer Jugend ein ziemlich guter Schlagzeuger gewesen sein und sogar eigene Songs komponiert haben“, stellte Weber seine nächste Frage. Die bislang gestellten Fragen hatten Wielands beruflicher und privater Situation gegolten und nichts Neues erbracht.
Hajo Wieland lächelte versonnen.
„Nein, leider habe ich seit damals keine Sticks und auch keine Klaviertasten mehr angerührt. Seitdem ich berufstätig bin und eine eigene Familie gegründet habe, ist mir für meine Hobbys nicht mehr viel Zeit übrig geblieben.“
„Und das, obwohl Sie früher sogar Ambitionen gehabt haben sollen, Profimusiker zu werden. Wirklich jammerschade.“
„Allerdings nicht ganz richtig, Herr Weber. Wer behauptet so etwas denn überhaupt?“
Weber schlug seine Unterlagen auf.
„Herr Vomberg, ein Musiklehrer des Merschenfelder Gymnasiums, hat mir versichert, dass Sie ein ausgesprochenesTalent gewesen sind. Darüber hinaus sollen Sie auch die Gründung einer eigenen Band geplant haben, die dann jedoch, wie Herr Vomberg meinte, durch eine Intrige von Rainer Herold, der zu dieser Zeit ebenfalls Schlagzeug spielte, nicht zustande gekommen ist.“
„Wie kann sich denn ein Lehrer, in dessen Unterricht ich nie gewesen bin, überhaupt an mich erinnern? Schließlich bin ich zu der Zeit auf einer ganz anderen Schule gewesen.“
„Richtig, aber dennoch hat Herr Vomberg Sie damals sehr in Ihren Plänen unterstützt, und außerdem haben Sie alle, bevor Torsten Lorenz einen eigenen Übungsraum bei sich zu Hause einrichtete, durch Herrn Vomberg die Möglichkeit bekommen, an den Nachmittagen in einem Schulraum zu üben. Können Sie sich daran denn nicht mehr erinnern?“
„Natürlich, jetzt fällt es mir wieder ein, Herr Weber. Sie müssen schon entschuldigen, dass ich eben dermaßen begriffsstutzig gewesen bin, aber diese Geschichte ist schon so lange Zeit her.“
„In jedem Fall hat Rainer Herold Sie damals auf, wie uns Herr Vomberg erzählte, üble Art und Weise ausgebootet.“
„Und nun glauben Sie, dass diese alte Geschichte ein Mordmotiv abgeben könnte?“
„Wenn Sie uns sagen, wo Sie zu den besagten Tatzeiten gewesen sind, können Sie sich auf der Stelle von jedem Verdacht befreien.“
Hajo Wieland zog ein Notizbuch aus seiner Jacke hervor und gab an, die fraglichen Abende zu Hause verbracht zu haben.
„Meine Frau Karin wird meine Angaben selbstverständlich bestätigen.“
In diesem Moment wurde an der Bürotür
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