Liebeskind
Gespräch über professionelle Reinigungsgeräte verwickelt hatte, bis sie Gewissheit besaß. Schließlich hatte sie auch die letzte Telefonnummer durchgestrichen, aber noch immer gab es keine Spur von Doreen.
Wütend schmiss Elsa den Hörer auf die Gabel.
„Wahrscheinlich hat mein Bruder, der Trottel, wieder einmal nicht genau zugehört.“
Vielleicht war der Ernährer ihrer früheren Freundin ja gar kein Tischler, sondern Maurer, Klempner oder weiß Gott sonst was. Es konnte auch möglich sein, dass sie mittlerweile in einen ganz anderen Ort gezogen war. Elsa holte das Nähkästchen aus Torstens Fabrik unter dem Bett hervor und betrachtete es von allen Seiten. Unablässig schob sie die Schubladen auf und zu, die nach all den Jahren noch immer leicht in ihren Lagern liefen.
„Dieser elende Trottel!“
Plötzlich warf sie den Kasten zu Boden und begann auf ihm herumzutrampeln, bis die feinen Holzrahmen splitterten. Sie hörte erst auf damit, als alles in Trümmern lag. Nun fühlte sie sich besser. Elsa legte sich aufs Bett und atmete wieder ruhig und gleichmäßig. Sie musste eine neue Richtung einschlagen. Wenn sie so weitermachte und sich nur auf Robins Erinnerungen verließ, würde sie Doreen niemals finden. Elsa musste eine andere Quelle auftun, doch dafür würde sie sich weiter aus ihrer Deckung herauswagen müssen.
Paula, die Schöne, stand in hohen Gummistiefeln, aus denen der viel zu lange Arbeitsoverall herausquoll, und einer weißen Fellmütze auf dem blonden langen Haar vor ihrem Haus und schmückte die Haselsträucher. Sie band zartgrün und orange schillernde Plastikschleifen an die kahlen, wie gekräuselt gewachsenen Zweige. Dazwischen ihre filigranen, handgefertigten Keramikfiguren. Tiere, Menschen, in zarter Emaille schimmernde Fantasiegestalten. Anna hatte auf der Straße geparkt und ging nun lautlos auf das Haus zu, um diesen Anblick so lange wie möglich zu genießen. Paula war von jeher anders gewesen. Und das nicht nur deshalb, weil sich in den Nachbarsgärten im Gegensatz zu ihrem die übliche Mischung aus Weihnachtsmännern, Goldkugeln und Rudolf, dem rotnasigen Rentier, nebst mächtigem, glockenbekränztem Schlitten tummelte. Paula war von jeher anders gewesen, weil sie das Leben mit einer Leichtigkeit nahm, um die sie Anna beneidete. Nie sah man sie mit sich hadern. Schlecht gelaunt war sie äußerst selten, höchstens wenn eine ihrer zahlreichen Liebschaften sich wieder einmal als Flop herausstellte. Immer lebte sie genau das Leben, das zu ihr passte. Paula war stets bei sich. Und auch wenn sie Kinder über alles liebte, zeigte sie keine Verbitterung oder Trauer darüber, dass sie noch immer keine hatte. Für sie schien es keine biologische Grenze zu geben, keine Uhr, die unaufhaltsam tickte. Für sie war alles gut. Gerade so, wie es kam. Ihre positive Grundeinstellung ließ sie aus allem das Beste machen, eine Eigenschaft, die sie zweifellos zu dem Glückskind, das sie war, hatte werden lassen. Paula stammte aus einem gut situierten Elternhaus, dessen Wohlstand ihr Vater bis zum Schluss klug zu mehren verstanden hatte. Nachdem ihre Eltern viel zu früh gestorben waren, war Paula das gewesen, was man eine gute Partie nannte.Dennoch hatte sie sich von jeher für eine Arbeit interessiert, deren Kraft sowohl aus dem Geist als auch aus den Händen kam. Und so war sie Keramikerin geworden, entwarf wundervolle Skulpturen, aber auch Alltagsgegenstände wie Krüge oder Teller. Ihre wahre Meisterschaft lag jedoch in den Glasuren, mit denen sie ihre Objekte überzog. Sie spiegelten alle Farbnuancen, die es in der Natur gab, wider und übertrafen diese oftmals sogar in ihrem zarten Glanz. Und weil sie niemals darauf aus gewesen war, Erfolg zu haben, war er ganz von selbst gekommen. Anna versteckte sich hinter der Brüstung. Paula, schlank und blond, Naturkind. Wie aus irgendeinem kleinen Dorf in Schweden, ganz in der Nähe von Bullerbü. Lief am liebsten in Jeans und ausgeleierten Kapuzenshirts herum. Aber wenn sie sich schön machte, hielt die Welt den Atem an.
„Anna, was tust du da. Hast du etwas verloren?“
Die Kommissarin kam aus ihrer Deckung hervor und schloss die Freundin in den Arm. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es irgendetwas gab, das sie jemals auseinanderbringen konnte.
Dabei waren sie so verschieden. Klein und dunkel, groß und blond. Paula war scheinbar alles zugeflogen, und Anna hatte immer kämpfen müssen. Vor allem gegen ihre ältere Schwester Judith. Bis sie
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