Liebeskind
Apparat aus angewählt worden waren. Nun arbeitete sie sich durch die Listen, in der Hoffnung, früher oder später auf eine Verbindung zu stoßen, mit der sie den Kontakt zwischen Dirk Adomeit und den beiden Mordopfern nachweisen konnte.
Die beiden Kommissare hatten sich mittlerweile zum Büro von Direktor Dr. Günther durchgefragt, dem gegenüber sie ihr Anliegen unvermittelt zur Sprache brachten. „Uns geht es um die Zeit zwischen 1985 bis 1987. Lässt sich noch feststellen, wer der damalige Klassenlehrer der beiden Schüler war?“
„Ich werde nachsehen.“ Dr. Günther schaute auf seinen Bildschirm. „Sie waren in der Sieben B, ja, hier.“ Er blickte auf seine Uhr. „Warten Sie einen Moment, gleich endet die letzte Schulstunde. Dann werde ich die Kollegin Gerber holen lassen.“
Astrid Gerber war eine kleine, weißhaarige Frau, die wenig später resoluten Schrittes das Direktorenbüro betrat. Anna hatte das Gefühl, ihr irgendwo schon einmal begegnet zu sein. Ja, jetzt erinnerte sie sich, es war beim letzten Elternsprechtag gewesen. Der Anlass für Annas Kommen waren, wie so oft in der letzten Zeit, Bens miserable Mathematikleistungen gewesen, und danach hatte sich Anna noch einen zusätzlichen Termin bei Frau Gerber besorgt, den sie aber nicht hatte einhalten können, weil wieder einmal etwas Berufliches dazwischengekommen war. So waren den beiden nur zwei Minuten auf dem Flur vor dem Lehrerzimmer geblieben, wo sie übereingekommen waren, sich so bald wie möglich wieder zu treffen, um ein ausführliches Gespräch über Ben führen zu können. Leider war es bis heute bei diesem Vorsatz geblieben.
„Ich erinnere mich gut an Torsten Lorenz und Rainer Herold“, begann Astrid Gerber, „die beiden sind ziemliche Rabauken gewesen. Ihr Sozialverhalten ließ sehr zu wünschen übrig. Heutzutage ist es ja fast an der Tagesordnung, dass man seine Mitschüler schikaniert oder bedroht, aber vor zwanzig Jahren sind sie damit noch aus dem Rahmen gefallen.“
Anna Greve schlug ihr Notizbuch auf.
„Erinnern Sie sich noch an Monika Diebach?“
„Natürlich, die Monika ist eine begabte und intelligente
Schülerin gewesen. Darüber hinaus war sie auch bei ihren Mitschülern sehr beliebt.“
„Hatte Frau Diebach zu dieser Zeit Probleme mit Rainer Herold und Torsten Lorenz?“
„Soweit ich weiß, ist es eher umgekehrt gewesen. Rainer und Torsten hatten ein Problem mit Monika, weil sie sich ihnen nicht unterordnen wollte. Als sie dann nicht mehr zur Klassensprecherin gewählt wurde, ist Monika sehr still geworden. Ich bin mir sicher, dass damals etwas Schwerwiegenderes zwischen den dreien vorgefallen ist, auch wenn uns offiziell nie etwas darüber zu Ohren gekommen ist.“
„Hat es denn andere Vorfälle gegeben, die offiziell angezeigt worden sind? Und wenn ja, welche?“, fragte Anna und kramte einen Kugelschreiber aus ihrer Tasche hervor.
„In dieser Klasse hat es tatsächlich jede Menge Probleme gegeben, und immer ist es dabei um tätliche, aber auch um psychische Gewalt gegangen. Rainer Herold und Torsten Lorenz haben sich ihre Opfer ganz genau ausgesucht. Vornehmlich traf es Mitschüler, die eher Außenseiter gewesen sind, Jungen die kaum einen Rückhalt in der Klassengemeinschaft gehabt haben.“
Anna schlug eine andere Seite ihres Notizbuchs auf, um Astrid Gerber die Personenbeschreibung der rothaarigenFrau vorzulesen, nach der sie nach wie vor auf der Suche war.
„Können Sie damit etwas anfangen? Vielleicht ist diese Frau als Mädchen früher ebenfalls hier zur Schule gegangen und den Attacken von Rainer Herold und Torsten Lorenz ausgesetzt gewesen.“
Astrid Gerber zog ihre Augenbrauen hoch.
„Hübsche Mädchen hatten es eher leicht bei Rainer und Torsten. Monika Diebach dagegen war kein besonders attraktiver Teenager. Darüber hinaus war sie sehr selbstbewusst, weshalb sie für die beiden wohl auch zur Zielscheibe geworden ist. Ansonsten haben sich Rainer und Torsten gern mit ihren Eroberungen geschmückt. Attraktive Freundinnen scheinen heranwachsende Jungen in ihrer Hierarchie entscheidend aufzuwerten. Das ist auch heute noch so und wohl nicht nur bei Jungen in der Pubertät.“
Sie lächelte Anna verschwörerisch zu, bevor sie Weber mit einem amüsierten Blick bedachte.
Anna Greve klappte ihr Notizbuch wieder zu.
„Es ist wirklich sehr wichtig für uns, weitere Hinweise zu bekommen, Frau Gerber. Daher denken Sie bitte, auch soweit es die Identität der rothaarigen Frau betrifft,
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