Liebeskind
hinter vorgehaltener Hand seiner Kollegin Anna Greve zu.
„Ist die Giraffe eigentlich noch immer in ihrem Verschlag?“
„Anna!“
Schönauer war derweil an ihren Tisch zurückgekehrt, begrüßte Weber und stand nun lächelnd vor Anna Greve.
„Sie wirken so unglaublich jung, Frau Greve, fast wie frisch von der Akademie. Ich muss mir immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass sie eine erfahrene Polizistin sind.“
Anna nickte wortlos zurück und überlegte, wie sie die elende Schleimspur, die Schönauer gerade eben hinterlassen hatte, nur wieder loswerden würde.
Elsa hatte den Fahrersitz ihres Wagens in eine geneigtere Position gebracht und saß jetzt vor Doreens Haus nahezu so bequem wie in einem alten Kinosessel. Nur wenig später beobachtete sie, wie ein weißer Transporter um die Kurve gefahren kam, der anschließend in die Einfahrt zu Doreens Haus einbog. Der Wagen war mit der Aufschrift „Tischlerei Arno Rost“ versehen. Ein Mann, ungefähr Mitte dreißig, stieg aus, zwei weitere, jüngere Männer folgten ihm. Der Ältere hatte offensichtlich das Sagen, also musste er Arno Rost sein, der Ernährer von Doreen. Die beiden anderen waren wahrscheinlich seine Angestellten, vielleicht ein Geselle und ein Lehrling. Doreen Rost, dachte Elsa, das war nicht gerade ein sehr klangvoller Name. Vielleicht hatte sich Doreen deswegen sogar für einen Doppelnamen entschieden und hieß heute gar Doreen Possel-Rost, wie lächerlich. Elsa warf einen aufmerksamen Blick auf Herrn Rost. Gar nicht schlecht, dachte sie. Das Haar des Tischlers war lang und wunderschön. Zerzaust, aber nicht ungepflegt. Wunderschön zerzaust war es, wie von der Brise eines unbekannten Meeres. Jetzt flog die Haustür auf, und Doreen stürmte auf ihren Ernährer zu. Sie ließ sich in seine Arme fallen, und der Tischler fing sie tatsächlich auf. Elsa konnte seine Augen sehen; braun waren sie, braun undblitzend. Unter seiner Arbeitskluft zeichnete sich ein kräftiger Oberkörper ab. Muskulös war er, aber nicht bedrohlich. Warum war Elsa niemals eine solche Liebe begegnet? Dieser Tischler war nicht nur attraktiv, er schien darüber hinaus auch noch ein freundlicher Mann zu sein. Wie war es Doreen nur gelungen, einen solchen Kerl einzufangen? Da konnte eigentlich nur Betrug im Spiel gewesen sein. Wahrscheinlich hatte sie sich von Herrn Rost schwängern lassen, um ihn dann anschließend an seine Pflichten erinnern zu können. Jetzt flüsterte Doreen gerade irgendetwas in sein Ohr, und Elsa beobachtete, wie der Tischler lächelte. Sie öffnete ihr Fenster und horchte.
„Tut mir leid, mein Schatz. Du weißt doch, dass es nächste Woche in den Osten geht. Wir machen das, wenn ich wieder zurück bin, versprochen.“
Elsa sah, wie Doreen ihren Tischler daraufhin an sich zog und mit ihm zusammen ins Haus zurückging.
Anna Greve saß zusammen mit Weber in ihrem Büro. Es war bereits später Nachmittag, als die Kommissare die neuen Überprüfungsergebnisse zu Monika Diebach untereinander austauschten.
„Ende November hat in Hamburg tatsächlich ein Ärztekongress stattgefunden, an dem Frau Diebach als Pressesprecherin des niedersächsischen Gesundheitsministeriums teilgenommen hat“, begann Weber. „Da das offizielle Programm des 28. Novembers allerdings bereits um 16.00 Uhr endete, wäre es für sie theoretisch möglich gewesen, anschließend nach Maschen zu fahren, um Torsten Lorenz zu töten.“
„Hat sie denn hinterher keine offiziellen Verpflichtungen mehr gehabt?“, fragte Anna zurück.
„Soweit ich weiß, hat es seitens des Senats an diesem Abend noch eine Einladung zu einem gemeinsamen Essen im Kollegenkreis gegeben, das sie jedoch abgesagt haben soll.“
„Gut gemacht, Weber, also werden wir Frau Diebach um ein weiteres Gespräch bitten. Diesmal werden wir sie allerdings ganz offiziell in unser Büro einbestellen. Zumal Frau Diebach, nachdem die Befragung ihrer Nachbarn und Mitarbeiter zum Abend des 23. November ebenfalls nichts ergeben hat, jetzt weder für den ersten noch für den zweiten Tatzeitpunkt ein glaubwürdiges Alibi vorzuweisen hat. Zunächst sollten wir jedoch den Chef und auch Sigrid Markisch über unsere neuen Ansatzpunkte informieren. Kommen Sie, Weber?“
„Ich denke, dass daraus heute nichts mehr werden wird, denn Sigrid Markisch hat Dirk Adomeit schon wieder herzitiert. Soweit ich informiert bin, soll die Vernehmung bereits in ein paar Minuten beginnen. Der arme Kerl, er scheint mir von seiner
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