Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)
verstehen Sie doch?«
»Natürlich verstehe ich das«, versetzte Mathilde und warf dem Zottel einen indignierten Blick zu.
Der griff zum Telefon. »Ein Kollege bringt Sie jetzt nach Hause, damit Sie da sind, falls Feller sich bei Ihnen meldet.«
»Das mache ich«, erbot sich Seehafer, worauf Kreuder den Hörer wieder zurücklegte. »Mit Ihrem Einverständnis überwachen wir Ihr Telefon zu Hause und das Mobiltelefon«, sagte er.
»Muß man dazu irgendwas mit meinem Telefon anstellen? Und muß ich ihn möglichst lange hinhalten, wenn er dran ist?«
»Sie schauen wohl gerne alte Krimis was?« Kreuder grinste breit.
So etwas Ähnliches hatte Mathilde heute schon einmal gehört, und erneut fand sie es weder komisch noch wert, daß sie darauf antwortete.
»Nein, Sie müssen nichts tun«, versicherte der Zottel. »Das läuft alles digital über die Vermittlung. Natürlich überwachen wir auch das Handy Ihres Mannes. Falls er den Fehler macht, es einzuschalten, können wir ihn anhand der Sendemasten ungefähr orten.«
»Ungefähr?« fragte Mathilde.
»Je nach Dichte der Sendemasten«, erklärte Oberkommissar Hirsch und fügte hinzu: »Dasselbe gilt natürlich für Frau Kittelmanns Handy – falls sie es wider Erwarten doch noch einschalten sollte.«
Lars Seehafer stand auf, und Mathilde folgte seinen verbeulten Hosen zur Tür. Die Maschinerie ist angelaufen, dachte sie. Aber das beruhigte sie nicht.
Die Handschelle fiel mit leisem Klirren auf die Fußmatte. Er stand auf, ging um das Auto herum, öffnete die Beifahrertüre und zog sie aus dem Wagen. Dann schleifte er sie über eine holprige Wiese. In ihren hohen Sandaletten stolperte sie andauernd, aber sein eiserner Griff um ihren Oberarm verhinderte, daß sie stürzte. Sie erreichten den Waldrand. Er zog sie durch ein dorniges Dickicht und weiter bis zu einem umgestürzten Baumstamm.
»Setz dich hin«, sagte er mit trügerischer Freundlichkeit.
Sie setzte sich auf die feuchte Rinde. Brombeerranken hatten ihre Beine zerkratzt, an einigen Stellen drangen winzige Blutstropfen aus der Haut. Die Sonne fiel schräg durch die Bäume. Es mußte früher Abend sein. Der Schmerz pochte. Was kam als nächstes? Noch mehr Qualen?
Er umfaßte ihr Haar, bog ihren Kopf nach hinten und zog ihr das Klebeband vom Mund.
»Du redest nur, wenn du gefragt wirst, verstanden?«
Sie hätte ohnehin geschwiegen. Jammern hatte noch nie geholfen, das wußte sie. Mit stumpfen Augen betrachtete sie den Waldboden.
Daß sie nicht winselte und bettelte, überraschte Lukas. Das hatten sie bisher alle getan. Sie dagegen begegnete dem Tod mit stummer Ergebenheit. Das nötigte ihm einen gewissen Respekt ab, und er entdeckte an ihr ein ähnliches Verhalten, wie er es sich damals mit der Zeit seinem Vater gegenüber zu eigen gemacht hatte. Er hatte seine absurden Strafen ohne Proteste und Bitten hingenommen, hatte Demütigungen und Schmerzen nach außen hin so gleichgültig wie möglich ertragen. Aus dieser Haltung war seine Stärke erwachsen.
Es wäre interessant, die Grenzen ihrer Belastbarkeit auszutesten, und der Gedanke, ihr die Kehle durchzuschneiden, während sie schließlich doch um Gnade bettelte, hatte durchaus etwas Verlockendes. Besonders nach dieser langen Zeit der Abstinenz. Der Vorfall mit dem Häftling Roth zählte nicht, da die Umstände eine rasche, dezente Art der Tötung erzwungen hatten. Nichts, das es wert war, in die Sammlung seiner kostbaren Erinnerungen aufgenommen zu werden.
Doch im Unterschied zu Roth und den anderen war diese Frau die erste, die den Tod – zumindest aus seiner Sicht – nicht verdiente.
Er mußte an die »nette« Johanna aus dem Studentenwohnheim denken, die ihn regelmäßig angeschnorrt und seinen Staubsauger geborgt hatte. Das scheinheilige Biest! Während sie ihren antiseptischen Höhere-Tochter-Charme an ihm wetzte, plante sie heimlich, ihn beim Studentenwerk als Schwarzmieter zu verpfeifen, damit ihr Freund in sein Apartment ziehen konnte. Lukas war durch eine Indiskretion seitens der Wohnungsvergabestelle hinter den beabsichtigten Verrat gekommen. Und auf Verrat stand Todesstrafe. Hier, ganz in der Nähe, hatte er das Urteil schließlich vollstreckt – nach einer angemessenen Bestrafung.
Dasselbe galt für Verleumdung. Das hatte diese Sozialarbeiterin lernen müssen. Sie hatte eines seiner Rhetorikseminare besucht, weil sie sich dadurch eine Beförderung erhofft hatte. Als ihre Karriere daraufhin dennoch keine Fortschritte machte, begann sie
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