Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)
geht ihm nicht nur darum. Du hast dich ihm widersetzt, du hast ihn rausgeworfen, so was verträgt seine Eitelkeit nicht. Er möchte sich an dir rächen, er will deine Integrität untergraben. Denkst du, er läßt dich so davonkommen: mit dem Gefühl, dein Geld für das Leben deiner Freundin gegeben und ihr damit das Leben gerettet zu haben?«
Er sah sie abwartend an.
Sie schwieg.
»Nein, Mathilde, niemals. Wenn du zahlst, wird er dir beweisen, daß die Unmoral stärker ist. Er wird es tun, indem er die Frau tötet, sobald er das Geld in Händen hat. Oder er verschwindet einfach, ohne dir zu sagen, wo sie ist. Damit du dein Leben lang darüber grübeln und verzweifeln kannst.«
Mathilde ließ Laudas Worte auf sich wirken. Sie erinnerte sich daran, daß Lukas einmal voller Verachtung gesagt hatte : Moral ist etwas, das die Schwachen vor den Starken schützen soll . Lauda hatte recht, er hatte Lukas’ sadistische Ader durchschaut. Mathilde durfte nicht erwarten, daß sich Lukas an Abmachungen hielt.
»Gut. Ich gehe zur Polizei, jetzt gleich«, entschied sie und lächelte. »Danke, Lauda. Ich wußte all die Jahre gar nicht, daß ich einen so klugen Freund habe.«
»Blödsinn«, wehrte Lauda verlegen ab. »Ich treffe nur einfach viele Menschen und lerne von ihnen.«
»Meinst du, einer deiner Mitarbeiter könnte mich zur Polizeidirektion bringen, ohne daß ich gesehen werde – nur für den Fall, daß er mich beobachten läßt.«
Lauda stand auf, öffnete die Tür, die direkt in die Werkstatt führte, und winkte einen seiner Männer heran. Die beiden redeten kurz miteinander, bevor Lauda zu Mathilde sagte: »Drei Minuten. Dann gehst du durch diese Hintertür direkt in die Werkstatt. Da wartet dein Taxi. Dein Wagen wird zu dir nach Hause gebracht.«
»Du bist klasse!«
»Ich weiß«, grinste Lauda und fragte: »Bist du denn gar nicht mehr neugierig, wer damals den Jeep bei mir abgegeben hat?«
»War es eine junge, dünne Frau mit roten Haaren?«
»Na, wenn du es schon weißt …«
»Hast du damals etwas Verdächtiges an dem Auto bemerkt?«
»Nur, daß der Stoff auf dem Rücksitz an einigen Stellen heller war und aufgerauht, als hätte jemand hartnäckig darauf herumgerieben.«
»Und das hat dich nicht stutzig gemacht?«
»Ich bitte dich! Wer denkt denn gleich an ein Verbrechen? Die Frau sagte, ihr wäre Rotwein ausgelaufen. Aber ich kann dir noch etwas verraten«, verkündete Lauda, »nämlich, wo der Wagen ist.«
»Hast du ihn nicht am Fiskus vorbei nach Marokko verscherbelt?«
»Pscht! Als ob ich je so was gemacht hätte! Nein. Er hat einem meiner damaligen Mitarbeiter gut gefallen, einem Italiener. Inzwischen hat er hier einen Weingroßhandel und ist dicke im Geschäft. Wenn du mal was brauchst – er hat einen grandiosen Sangiovese, sag ich dir …«
»Lauda!«
»Er hat den Jeep damals mitgenommen, nach Apulien. Und da steht er heute noch, vor seinem Ferienhaus.«
Als er ihr die Handschellen anlegte, so plötzlich, daß sie gar nicht dazu kam, sich zu wehren, glaubte sie noch an ein Spiel. Doch solche Spiele waren nicht abgesprochen, und sie mochte sie nicht, deshalb protestierte sie, und er schlug zu. Ein genau dosierter Schlag, der sie sofort benommen machte. Als sie wieder bei Bewußtsein war, saß sie in seinem Wagen. Oberkörper und Arme waren mit einem Seil an die Sitzlehne gebunden, den Mund bedeckte ein breites Stück Klebeband. Ihre Hände steckten noch immer in den Handschellen.
Sie wußte nicht, in welche Himmelsrichtung sie fuhren. Rote Bremslichter glommen vor ihnen auf. Er fluchte und drosselte das Tempo. Ein Stau. Vielleicht bemerkte jemand ihre Fesselung, den zugeklebten Mund. Aber er reagierte schnell, langte nach hinten und warf eine schwere Lederjacke über sie. Sie roch nach neuem Leder und leicht nach Schweiß.
Im Schrittempo ging es noch ein paar Meter voran, dann standen sie, eine Ewigkeit. Das wiederholte sich einige Male. Zweimal verlas ein Radiosprecher dieselben Nachrichten. Sechzehn Uhr. Gegen zwei war er zu ihr gekommen. Er fuhr an, beschleunigte. Eine Kurve. Vermutlich war die nächste Ausfahrt erreicht. Ihr wurde übel. Nur nicht brechen, dachte sie, sonst erstickst du. Tief atmete sie durch die Nase ein und aus. Sie fror vor Angst.
Jetzt also war es ihr passiert. Das, was immer nur den anderen geschah, wovon man mit einem heimlichen Schaudern in den Nachrichten hörte. Jetzt war sie eine von denen, über die man sprechen würde, einen Tag lang, oder vielleicht
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