Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)
ihren Lebensunterhalt. Im Grunde war dieser Teich kein schlechtes Versteck. Zumindest war es das einzige.
Gierig umfing der Schlamm ihre Füße und griff nach ihren Beinen. Sie geriet in Panik. Ein unheimlicher Schwamm, der sie nach unten saugte! Aber dann spürte sie so etwas wie festen Boden unter sich. Der Tümpel war nicht tief, und die braune Brühe war angenehm kühl. Denk dir, es wäre eine Fangopackung. Manche bezahlen viel Geld für so was. Sie glitt bis zu den Schultern hinein und nahm eine halbwegs bequeme Stellung ein. Mit einer Handvoll Dreck beschmierte sie ihr Gesicht. Sie tauchte die Haare in den Algenteppich und häufte ein paar nasse Blätter darauf. Es dämmerte bereits. Das war gut. Im Dunkeln würde ihr Kopf nicht so leicht zu sehen sein. Notfalls mußte sie untertauchen. Lieber wollte sie ersaufen, als diesem Mann noch einmal in die Hände zu fallen.
Die Schatten wurden schwärzer. Sie schöpfte ein kleines bißchen Hoffnung. Wenn sie die Nacht durchhielt – ob er dann aufgeben würde? Wie lange konnte ein Körper unter Wasser ausharren, ehe er aufweichte? Sie hatte auf beide Fragen keine Antwort. Sie würde es ausprobieren müssen.
Lukas saß vor dem improvisierten Grill, in dem die Reste eines Feuers glommen und horchte auf die nächtlichen Geräusche des Waldes.
Er war gerne hier. Außerdem blieb ihm im Moment kaum eine andere Wahl. Er dachte an die Szene, die ihm Treeske gemacht hatte, weil er sich mit Leona im Eiscafé unterhalten hatte. Aber er hätte ohnehin für ein paar Tage abtauchen müssen, also ließ er Treeske in dem Glauben, ihr Verhalten wäre der Grund dafür. Wahrscheinlich bereute sie es längst. Sie mußte doch wissen, daß er Szenen nicht ausstehen konnte. Nach der ersten waren immerhin über zehn Jahre vergangen, bis sie ihn wiedergesehen hatte. Das konnte durchaus wieder passieren. Ob sie noch immer glaubte, er würde sie mitnehmen? Gut möglich. Er würde sie vielleicht sogar vermissen. Doch Frauen wie sie konnten rasch zu gefährlichem Ballast werden.
Alles war vorbereitet. Der Paß lag seit Wochen an einem sicheren Ort. Dem Risiko eines zweiten Prozesses hatte er sich nie aussetzen wollen, sein Vertrauen in die Gerichtsbarkeit war naturgemäß gering. Er würde das Land verlassen, sobald hier nichts mehr zu holen war. Im Grunde war das bereits jetzt der Fall, aber im Moment stand er unter Beobachtung, und eine Flucht würde dadurch zwar nicht unmöglich, aber doch schwieriger. Nein, er mußte abwarten, bis der Weg frei war.
Vorhin, am Friedhof, hatte er die idiotisch parkenden Autos sofort bemerkt, gar nicht erst zu reden von den auffälligen Figuren, die sich zwischen den Grabsteinen getummelt hatten. Vielleicht hätte er die Nummer mit dem Fingernagel früher bringen sollen. Aber solche Überlegungen waren nun müßig. Die Sache war gelaufen, einen Versuch war es immerhin wert gewesen. Die Chance, die ihm Leona auf dem Silbertablett serviert hatte, hatte er nicht ungenutzt lassen wollen.
Wenigstens besaß er das Geld der Alten, das sie ihm gegen ein Zertifikat über Anteile an einer russischen Gasgesellschaft anvertraut hatte. Das Geschäft der Zukunft! Der Gedanke, daß dieses Papier und der damit verbundene Schriftverkehr eine Ausgeburt seiner Phantasie und eines leistungsfähigen Druckers waren, war ihr nie gekommen. Lukas mußte nur dafür sorgen, daß Mathilde nichts davon erfuhr. Sie hätte sich von ein paar falschen Hochglanzbroschüren nicht täuschen lassen. Geld war schließlich das einzige, was sie in ihrem öden Leben hatte. Sogar den Tod ihrer Freundin nahm sie dafür in Kauf. Schade, daß sie keine engere Bezugsperson hatte. Mit einem Kind hätte es sicher funktioniert.
Anfangs hatte er Mathilde mit einem gewissen Respekt betrachtet, denn vom Charakter her war sie ihm ähnlich. Er hatte sie dafür geschätzt, daß sie ihr Leben unabhängig von anderen Menschen so führte, wie sie es sich vorstellte. Auch wenn manches an ihr reichlich schrullig war. Er hatte sich geschmeichelt gefühlt, als er merkte, daß sie wirklich in ihn verliebt war. Und das war sie, oder hätte sie ihm sonst den Porsche geschenkt? Die Liebe einer selbständigen Frau hatte einen anderen Stellenwert als die einer frustrierten Claudine oder einer haltlos zerrissenen Treeske.
Um so enttäuschter war er gewesen, als er merkte, daß Mathilde ihr Geld wichtiger war als er. Damit riß sie eine sehr alte Wunde auf. So etwas hatte er schon einmal durchgemacht. Er dachte an das
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