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Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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weg und fuhr leise fort: »Ich meine, vielleicht möchte sich jemand mal unter vier Augen unterhalten.«
    Feller verzog den Mund. »Willkommen in meiner Welt, Mathilde. Hier geben Sie nicht nur Freiheit und Selbstbestimmung, sondern auch jegliche Intimität an der Pforte ab.«
    »Erzählen Sie mir, wie so ein Tag hier verläuft.«
    Er lehnte sich zurück: »Ich stehe um sechs auf, frühstücke, um halb acht beginnt die Arbeit. Häftlinge sind zur Arbeit verpflichtet, sofern sie arbeitsfähig sind. Wer sich weigert, wird eingeschlossen und bekommt keine Vergünstigungen.«
    »Was für Vergünstigungen?«
    »Eigene Kleidung, Fernseher, Radio, Kaffeemaschine, Zeitungen, zum Beispiel. Das alles muß genehmigt werden. Das ist das Zuckerbrot. Nur wer brav ist, bekommt was. Ich arbeite übrigens in der Schlosserei. Um viertel nach drei ist Feierabend. Eine halbe Stunde später beginnt die Arbeiterfreistunde. Also Hofgang. Manchmal spielen wir Fußball. Um fünf gibt es Abendessen. Danach ist Zeit für Sport und Freizeitgruppen. Oder man kann seine Wäsche waschen, duschen, kochen, telefonieren. Wenn man es schafft, ans Telefon zu kommen.«
    Mathilde fand, daß sein Tagesablauf dem ihrem gar nicht so unähnlich war, aber natürlich behielt sie das für sich. Statt dessen sagte sie: »Als Sie mich neulich anriefen, war es Morgen.«
    Lukas Feller legte zwei Finger an die Lippen. »Der Meister der Schlosserei hat ein Telefon im Büro«, flüsterte er. »Der schaut schon mal für ein paar Minuten weg. Aber das bleibt unser Geheimnis.«
    Mathilde nickte.
    »Wir werden noch viele Geheimnisse teilen«, prophezeite er, »Mathilde.«
    Es hatte ohne jeden Zweifel etwas Anstößiges, wie er ihren Namen aussprach. Ebenso die Art, wie er ihren Blick hypnotisch festhielt.
    »Sie haben faszinierende Augen.«
    Mathilde mußte unwillkürlich leise auflachen.
    »Warum lachen Sie?« fragte er argwöhnisch.
    »Meine Mutter sagte früher immer: › Aber sie hat schöne Augen.‹«
    »Das ist Unsinn!« Er klang zornig. »Erlauben Sie niemals Leuten mit Allerweltsgeschmack, über Sie zu urteilen.«
    Mathilde hätte schwören können, daß es gerade ein paar Grad kühler im Raum geworden war. Ihr lief ein Schauder über den Rücken. Wie rasch seine Stimmung schwankte.
    »Ihr Gesicht ist edel und präziös. Es birgt Schönheit, Leidenschaft und Brutalität.«
    »Sie sind sehr direkt.«
    »Ja. Denn für Smalltalk ist mir die Zeit mit Ihnen zu schade.«
    Mathilde schielte auf ihre Uhr. Es war noch keine Viertelstunde um. Auf ihrem Besuchsschein waren dreißig Minuten vermerkt. Dreißig kostbare Minuten.
    »Sie haben eine Frau umgebracht.«
    Da war es wieder, dieses unergründliche Lächeln.
    Daß die Anziehungskraft, die dieser Mann auf sie ausübte, von einer bis dato nie gekannten Stärke war, erfaßte Mathilde mit dem analytischen Blick der Naturwissenschaftlerin. Das Erschreckende dabei war, daß diese Kraft gerade dann am intensivsten zu sein schien, wenn ihre Gedanken um die dunklen Seiten seines Charakters kreisten.
    Sie mußte sich Mühe geben, sich wieder auf das Gespräch zu konzentrieren. Reiß dich zusammen, Mathilde, und laß dir um Himmels Willen nichts anmerken!
    »Warum?«
    Er tat einen schweren Atemzug. »Weil ich die Möglichkeit hatte.«
    »Und das Motiv?«
    »Man braucht kein Motiv.«
    Mathilde hob zweifelnd die Augenbrauen.
    »Sie lesen Kriminalromane?« fragte er.
    »Ab und zu.«
    »Sehen Sie. Wir genießen den Tod der anderen.«
    »In der Fiktion.«
    »Nicht nur. Hatten Sie nicht selbst schon mal Lust, jemanden zu töten?«
    »Schon öfter. Aber ich habe es nicht getan. Was also muß geschehen, damit man diese Schwelle überwindet?«
    »Nicht viel«, meinte er. »Ich habe Männer gesehen, denen das Töten Freude macht.«
    »Bei der Fremdenlegion?«
    »Ah, Sie haben recherchiert.«
    Mathilde biß sich verlegen auf die Unterlippe.
    »Glauben Sie mir, Mathilde. Sobald der Mensch keine Strafe zu befürchten hat, oder dies zumindest glaubt, mordet er ohne Skrupel. Ihm genügt die Gewißheit, nicht erwischt zu werden. Oder die Sicherheit eines rechtsfreien Raumes, eines Krieges zum Beispiel.«
    »Sie waren aber nicht im Krieg, als Sie diese Frau ermordet haben. Und Sie wurden erwischt.«
    Er nickte. »Ich habe Fehler gemacht. Fehler werden bestraft.«
    Allerdings, dachte Mathilde. Für ihr Dafürhalten hatte er sich nach der Tat reichlich ungeschickt verhalten. Vielleicht aus Panik? Die Schuhe in die Mülltonne vor dem Haus zu

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