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Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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karger
    Beleuchtung folgten, und das in jenem flüchtigen Zustand anonymer Raserei gipfelte. War das nicht armselig?
    Sie warf die Karte in die Kiste, in der sie das Altpapier sammelte. Schumann konnte sie ohnehin nicht sonderlich leiden.
    Der Abend war unerwartet lau. Regen lag in der Luft. Ab und zu wehte vom Zoo ein dumpfer Tiergeruch herüber. Mathilde saß vor einem Glas Wein auf dem Balkon und sah nachdenklich der Sonne zu, die gerade als riesige Orange im Dunst der dösenden Stadt versank. Wie es wohl ist, grübelte sie, wenn man immer dieselbe, vergitterte Aussicht hat? Wartet man auf den ersten Sonnenstrahl, auf den Mond? Sicher weiß man genau, wann er erscheint und verschwindet, und wahrscheinlich zählt man die Sterne in seinem Fenster.
    Wind kam auf, und Mathilde begann zu frieren. Sie sehnte sich den letzten Sommer zurück, den Jahrhundertsommer 2003, als sich Hannover wie Havanna angefühlt hatte.
    Der nächste Windstoß löschte die Flamme des Windlichts. Flüsternd setzte ein zögerlicher Regen ein, der Mathilde vom Balkon vertrieb. Im Aufstehen blickte sie über die Balkonbrüstung. Ein Mann stand auf dem Gehsteig gegenüber. Er trug ein Sweatshirt mit einer Kapuze und starrte an der Fassade hinauf. Hatte er sie beobachtet? Sie ging in die Hocke. Aus der Deckung des sorgfältig gestutzten Lavendels heraus observierte sie ihn nun ihrerseits. Er befand sich genau zwischen zwei Straßenlaternen, im Schatten der Büsche eines Vorgartens. Plötzlich ließ die windzerrissene Flamme eines Feuerzeuges die Schatten zurückschrecken, und für wenige Sekunden sah sie sein Gesicht. Ein älteres, grobgeschnittenes Männergesicht. Dann erlosch die Flamme, die Schatten dehnten sich wieder aus. Inzwischen war es fast ganz dunkel. Der Mann blieb. Ab und zu glühte seine Zigarette auf.
    Die geduckte Haltung wurde Mathilde allmählich zu anstrengend. Sie erhob sich, stützte sich auf das Geländer und schaute demonstrativ zu dem rauchenden Mann hinunter. Wie eine Schnecke, die vor einer Berührung zurückschreckt, wich er nach hinten in die Umarmung der Schatten, mit denen er nun verschmolz. Zigarettenglut spritzte auf das Pflaster und wurde ausgetreten. Der Regen fiel jetzt dichter. Mathilde brachte Weinglas und Windlicht in die Wohnung. Als sie wieder hinuntersah, ging der Mann mit raschen, ausgreifenden Schritten die Straße entlang, die Hände in den Taschen, die Schultern hochgezogen. Einer, der sich davonstiehlt, dachte Mathilde. Unsinn, wahrscheinlich nur einer, dem langweilig gewesen war. Du bist schon genauso paranoid wie die notorischen Türabschließerinnen hier im Haus.
    Das Gebäude mit dem Flachdach und den rostigen Fenstergittern, vor dem Mathilde tags darauf nach der Schule anhielt, hatte nichts Repräsentatives. Dennoch nahm sich ihr Golf unter den anderen Wagen, die im Hof der Werkstatt geparkt waren, eher bescheiden aus. Im Umfeld von Laudas Werkstatt hielt man nichts von Understatement. Drei Herren standen um einen Jaguar herum. Einer der Männer löste sich aus der Gruppe und eilte auf Mathilde zu. Lauda war über einsneunzig groß und kräftig gebaut. Mit seinen zerzausten Silberlocken und den saphirblauen Augen im sonnengebräunten Gesicht sah er aus wie der Kapitän der Gorch Fock.
    »Mathilde! Wie schön, dich zu sehen!« Dann wies er fragend auf die zerbeulte Kühlerhaube.
    »Vandalismus«, erklärte Mathilde. Sie war immer noch wütend.
    Lauda inspizierte den Schaden.
    »Wird es teuer?«
    »Du hast doch Teilkasko, oder?«
    »Weißt du, ich dachte, ich wohne in einer sicheren Gegend und kann mir das sparen.«
    »Die Lehrer und ihr Geiz. Ich habe lange Zeit geglaubt, das sei ein Klischee, aber es ist immer wieder …«
    »Wieviel?« unterbrach ihn Mathilde.
    »Mit Originalteilen alles in allem so zwölfhundert Euro.«
    »Ich bin eine arme Lehrerin!«
    »Die Alternative wären gebrauchte Teile, die meine Jungs erst besorgen müßten. Das käme etwa auf die Hälfte. Aber das dauert, wie gesagt.«
    Bei »Jungs« runzelte Mathilde die Stirn. Laudas Personal umfaßte im Durchschnitt ein halbes Dutzend Männer von respekteinflößendem Körperbau, vorzugsweise aus dem osteuropäischen Raum.
    Lauda kümmerte sich seit Jahren um ihre Durchschnittswagen, und zwar ebenso gewissenhaft wie um die Statussymbole der Unternehmerschaft vom Steintor. Obwohl er sicherlich kein Gralshüter von Recht und Gesetz war, würde er sie niemals betrügen. Leute wie er vergaßen nie, wenn man ihnen einmal geholfen

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