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Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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war, hier begegnet oder auf einem der Wege im Georgengarten? Wo hatte er sie getötet? Sicher nicht hier auf der Brücke, wo es viel zu übersichtlich war. Hatte er mit ihr gesprochen, oder war es ein Überraschungsangriff aus dem Hinterhalt gewesen? Woher kam das Messer? War sie ein Zufallsopfer, oder wurde sie schon länger beobachtet? Vom wem? Warum sie? Was war mit Johanna Gissel geschehen?
    Ein älterer Mann näherte sich von Linden her, er führte einen großen, schwarzen Hund an der Leine. Mathilde bat ihn, ein Foto von ihr auf der Brücke zu machen.
    »Gern, junge Frau. Bitte lächeln.« Mathilde lächelte. Sie hatte ihre Leica auf Weitwinkel gestellt, so daß viel vom Hintergrund zu sehen wäre. Nach der Brücke bog sie ab und folgte einem Fahrradweg flußabwärts. War dies die Stelle, wo der Angler die Leiche aus dem Wasser gefischt hatte? Was mußte das für ein Gefühl sein, wenn sich die Angelschnur spannt, und man zieht und zieht und ahnt sicher schon, daß es kein Fisch ist, denn die Schnur läßt sich nicht einholen, und der Widerstand ist viel zu groß? Und dann taucht aus dem trüben, grünen Wasser ein weißes, aufgedunsenes Gesicht auf…
    Mathilde erschauderte. Sie kehrte um. Die Verlängerung der Dornröschenbrücke führte durch eine Einbahnstraße. Altbauten grenzten an einen kleinen Park, den Mathilde nun durchquerte. Ein Obdachloser schlief auf einer Bank. Linden war der älteste Stadtteil, älter als Hannover selbst. Ein Arbeiterviertel – wenn es Arbeit gegeben hätte. Inzwischen also eher ein Arbeitslosenviertel und Quartier unterschiedlichster Ethnien, dazu kamen Studenten-WGs, Alte und die Boheme. Die Adresse von Ann-Marie Pogge hatte Mathilde auf der elektronischen Ausgabe des Telefonbuchs von 1995 gefunden. Sie hatte sogar die Nummer gewählt. Kein Anschluß unter dieser Nummer. Das hatte ihr das gewaltsame Ende dieser Frau seltsamerweise eindringlicher vor Augen geführt als ihr Bild in dem Spiegel -Artikel.
    Das Haus in der Wilhelm-Bluhm-Straße war ein langer, um die Ecke gezogener, verklinkerter Altbau mit mehreren Eingängen. Nicht so edel wie die klassizistischen Bauten im Zooviertel, aber auch nicht ungepflegt. Zwei schwarz gekleidete Punker näherten sich ihr kettenrasselnd und rauchend. Mathilde wünschte einen guten Morgen und bat einen von ihnen um ein Foto von sich mit dem Hauseingang im Hintergrund. Hoffentlich brennt der jetzt nicht mit der Kamera durch, dachte sie kurz. Aber der junge Mann, dem ein bunter Hahnenkamm aus dem rasierten Schädel wuchs, erledigte seine Aufgabe gewissenhaft. Nach Mathildes Erfahrungen reagierten Leute, von denen man es am wenigsten erwartete, meistens freundlich, wenn man sie um einen Gefallen bat.
    Sie beendete den ersten Teil ihrer Sightseeing-Tour und radelte über den Klagesmarkt und die Celler Straße zurück nach Osten, in den Stadtteil List. Es standen noch zwei Adressen auf ihrem Programm. Hätte jemand sie gefragt, was sie da eigentlich tat, hätte sie voller Zynismus geantwortet: Ich bin ein Mörder-Groupie, ich tue, was Groupies nun mal tun. Sie pilgern an die Wirkungsstätten ihrer Helden.
    Lukas betrachtete die Fotos. Fünfmal Mathilde: vor seinem alten Wohnheim, auf der Brücke zwischen Herrenhausen und Linden, vor der Tür eines Klinkerbaus, vor der Tür von Petra Machowiaks Haus in der Edenstraße, und schließlich vor dem säulenüberdachten Eingang des Gebäudes in der Podbielskistraße, in dem sein Seminarraum gewesen war.
    Eine originelle Provokation. Sie besaß ohne Zweifel Geist.
    Auf allen Bildern trug sie blaue Jeans, eine helle Bluse und einen ausgefransten Strohhut, der sie wie eine Farmersgattin aussehen ließ. Nicht gerade die Frau, von der man in schwülen Nächten träumt, dachte Lukas. Aber für seine Zwecke genau richtig.
    Ein Blatt Papier war dabei, darauf stand: Kafka sagt: Man fotografiert Dinge, um sie aus dem Sinn zu verscheuchen. Mal sehen, ob es gelingt.

4
     
    Mindestens zweimal im Jahr machte Mathilde Ferien auf der Insel Alderney. Während der Sommersaison gab es regelmäßig eine Chartermaschine von Hannover, aber nun, im Herbst, mußte man über London und Guernsey fliegen oder die Fähre von St. Malo nehmen. Das war umständlich, aber zum Lohn dafür war die Insel um diese Jahreszeit weitgehend frei von deutschen Studienräten.
    Mathilde hatte einen Stapel Bücher mitgebracht, aber sie las nicht viel. Bei Regen ging sie spazieren, bei trockenem Wetter saß sie auf der weißen Holzveranda des

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