Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)
meldete zwei neue Aufzeichnungen. Lukas?
Hallo Mathilde, ich bin’s. Ich bin eingezogen. Wenn du zurück bist, trinken wir ein Glas Sekt!
Es piepte, die nächste Nachricht:
Du häßliche alte Schlampe, du glaubst wohl, du hast gewonnen, was? Zum letztenmal: laß deine Finger von Lukas Feller, oder du wirst es bereuen. Ich warne dich, du Dreckstück! Ich meine es ernst!
Es war weniger der Inhalt der Nachricht, der Mathilde erschreckte, sondern der blanke Haß, der ihr aus den geflüsterten Worten entgegenschlug. Sie hatte diese Claudine im Besucherraum nur brüllen und kreischen hören, daher konnte sie ihr die Stimme nicht eindeutig zuordnen. Aber wer sonst sollte sie auf diese Art bedrohen? Heute klang die Stimme anders als beim ersten Anruf, aber die Worte »zum letztenmal« verrieten, daß es sich um dieselbe Person handeln mußte. Wenn das nicht aufhörte, würde sie zur Polizei gehen müssen. Wie peinlich.
Der Schrecken wich dem Ärger. Sie mußte Franziska bei Gelegenheit wieder einmal ermahnen, nicht jedem ihre Nummer zu geben. Sie beschloß, sich erst einmal eine Kanne Tee aufzubrühen. »Ein Tee und ein heißes Bad helfen gegen die meisten Übel der Welt«, hatte Merle immer gesagt.
Mit einer Decke um die Schultern stand sie am Küchenfenster und wartete, bis das Wasser kochte. Es war sieben Uhr und schon längst dunkel. Das Pflaster der Gehwege schimmerte feucht im wächsernen Licht der Straßenlaternen. Der Mann stand an derselben Stelle wie beim letztenmal. Regungslos starrte er in Richtung ihres Hauses. Mathilde wich einen Schritt zurück. Das Opernglas! Sie fand es im Schrank des Gästezimmers. Nachdem sie das Licht in der Küche gelöscht hatte, schlich sie durch ihren dunklen Salon. Der lange Tisch mit den leeren Stühlen wirkten wie ein Gerippe, das sich im Zimmer breitgemacht hatte. Langsam öffnete sie die Tür zum Balkon und schlüpfte ins Freie. Sie hob das Glas an die Augen. Schatten stürzten auf sie ein, dann sah sie ihn – beängstigend nah. Mit hochgeschlagenem Kragen und hochgezogenen Schultern stand er da. Er schien zu frieren. Ab und zu glomm die Glut seiner Zigarette hell auf wie ein Positionslämpchen. Sein Blick war nun auf den Hauseingang gerichtet. Rechnete er damit, daß sie herauskam, weil das Licht in der Küche ausgegangen war? Die Dämmerungsleistung des Glases war nicht die beste, Mathilde drehte an der Stellschraube, und das Gesicht des Fremden gewann ein wenig an Kontur. Ein älterer Mann, grobe, längliche Züge, kein Bart, aber Augenbrauen wie Schuhbürsten. Feuchtes Haar hing ihm spärlich in die Stirn. Das Gesicht verschwamm, als er sich bewegte. Seine Zigarette war aufgeraucht, er trat die Kippe aus und ging ein paar Schritte weiter. Noch etwa fünf Minuten blieb er scheinbar unschlüssig dort unten stehen, dann entfernte er sich in Richtung Emmichplatz. Vielleicht sah sie Gespenster. Vielleicht war der Mann ja nur der rücksichtsvolle Gatte einer Nichtraucherin, der sein Laster für einen kleinen Spaziergang nutzte und dabei in fremde Fenster spähte.
Sie trank eine Tasse Tee und ließ Badewasser einlaufen. Mit einem wohligen Schauder steckte sie gerade einen Fuß in den knisternden Schaumteppich. Da läutete es an der Wohnungstür.
Der Mann! – Wieso der Mann? – Wieso nicht? Was jetzt? Unschlüssig verharrte sie vor der Badewanne. Draußen hämmerte es gegen die Tür. So, jetzt reichte es! Mathilde schlüpfte in ihren Bademantel und zog den Gürtel fest. Ein Bademantel war fast wie ein Judoanzug, er verschaffte einem die nötige Bewegungsfreiheit. Sie würde diesem Kerl, wer immer er war, schon beikommen. Um das Überraschungsmoment auf ihrer Seite zu haben, riß sie die Tür auf. Die Sektflasche knallte auf den Boden. Mathilde konnte gerade noch verhindern, daß die Platte mit dem Kuchen denselben Weg nahm.
»Tag, ich bin die Neue vom ersten Stock. Machst du immer so die Tür auf?«
Mathilde hob die Flasche auf, die zum Glück heil geblieben war.
»Was duftet denn hier so nach Orangen?«
»Mandarinen. Ich wollte baden«, erklärte Mathilde.
»Ach, so. Ja, dann geh ich lieber wieder.«
Gute Idee, dachte Mathilde, der im Moment nicht nach Gesellschaft war.
»Oder, weißt du was? Du badest, ich mach den Sekt auf und setz mich zu dir ins Bad auf den Klodeckel.«
»Meinetwegen«, seufzte Mathilde.
Leona ging in die Küche, und Mathilde kippte rasch noch eine gehörige Portion der Badeessenz ins Wasser. Als Leona mit zwei Gläsern zurückkam, war
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