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Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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sah ihm mit finsterem Blick dabei zu.
    »Verdammt, Mathilde, ich dachte, Sie wären mit dem netten jungen Kollegen zusammen.«
    »Und, Herr Direktor, was ist nun die Quintessenz dieser Vorladung?«
    Ingolf Keusemann sah sie an. »Also gut: Es geht einfach nicht, daß eine Lehrkraft dieser Schule mit einem Schwerverbrecher liiert ist.«
    »Liiert?« wiederholte Mathilde. »Das ist doch lächerlich.«
    Aber Keusemann ging nicht darauf ein, sondern kam zum Punkt: »Als geschäftsführender Direktor muß ich Sie auch im Namen der Träger dieser Institution bitten, diese Beziehung umgehend zu beenden.«
    »Oder?« fragte Mathilde.
    Er rang die Hände. »Oder ich muß Ihnen nahelegen, sich einen anderen Arbeitsplatz zu suchen. Ich bin gezwungen, ich kann nicht anders. Ich hatte bereits gestern einen sehr unangenehmen Anruf vom Vorstand sowie von der Vorsitzenden der Elternvertretung.«
    Mathilde war immer schon klar gewesen, daß Dankbarkeit nur eine sehr kurze Halbwertzeit hat. Die zwölf Jahre, in denen sie maßgeblich daran beteiligt war, daß das Lise-Meitner-Gymnasium zu dem wurde, was es heute war, nämlich eines der besten naturwissenschaftlichen Gymnasien Niedersachsens, zählten nichts im Vergleich zu ihrem »Fehltritt«.
    »Danke, daß Sie mir die Augen für die Realitäten geöffnet haben, Herr Direktor.«
    Keusemann machte ein gequältes Gesicht. »Bitte, Mathilde. Ich möchte nicht, daß wir auf diese Art miteinander reden. Schreiben Sie dem Kerl meinetwegen jeden Tag, aber gehen Sie nicht mehr hin. Oder ist es so ernst?«
    Sie stand auf. »Für mich ist diese Unterhaltung beendet.«
    »Mathilde, Sie sind mein bestes Pferd im Stall«, rief Keusemann mit echter Verzweiflung. »Ich habe Sie für den Posten der stellvertretenden Direktorin vorgesehen, wenn Schulze in zwei Jahren ausscheidet.«
    »Freut mich.«
    »Aber ich möchte nicht erleben, daß es eines Tages heißt, wir würden ein Mörder-Groupie auf unsere Schüler loslassen.«
    »Ein was?!« Mathilde war schon an der Tür angekommen und fuhr herum.
    »Ein Mörder-Groupie. So nennt man diese Frauen.«
    Mathilde ließ Keusemann stehen und rauschte aus dem Büro.
    »Ich melde mich für den Rest des Tages krank, bitte informieren Sie Ihren Vorgesetzten, damit er sich um eine Vertretung kümmert«, sagte sie beherrscht zu der Sekretärin, die mit gespitzten Ohren im Vorzimmer saß. Es war Mathildes erste Krankmeldung seit zwölf Jahren.
    Für den Sonntag versprach das Wetter kühl und trocken zu werden. Mathilde setzte sich in der Morgendämmerung aufs Fahrrad. Es herrschte kaum Verkehr. Durch die Innenstadt benötigte sie eine knappe halbe Stunde bis nach Herrenhausen. Ihr erster Halt war das Studentenwohnheim Jägerstraße/Lodyweg, zwei Gebäude, in Blocks unterteilt. In welchem hatte er gelebt? Er und Johanna Gissel, die blonde Studentin. Mathilde betrachtete den dreistöckigen hell gestrichenen Bau, vor dem sie stand. Lukas Feller mußte fast sein ganzes Erwachsenenleben in solchen tristen Klötzen zugebracht haben. Erst die Kasernen bei der Legion, dann dieses Wohnheim, das einem Gefängnisbau stark ähnelte – einzig die Gitter vor den Fenstern fehlten – und jetzt das Gefängnis selbst. Bevorzugte er diese Art des Wohnens vielleicht unbewußt? Bloß keine Küchenpsychologie, Mathilde, rief sie sich selbst zur Ordnung.
    Eine junge Frau schob ein Rennrad aus der Tür. Mathilde bat sie um einen Gefallen. Die junge Frau nickte verwundert, lehnte ihr Rad an die Wand und machte das Foto, ohne Fragen zu stellen. Dann schnurrte sie auf ihren papierdünnen Reifen davon. Mathilde fuhr langsam durch den feuchtkühlen Georgengarten, unter dem Bremer Damm hindurch bis zur Dornröschenbrücke. Die Brücke war nur für Fahrräder und Fußgänger, es war noch nicht viel los. Mathilde hielt zum zweitenmal an. Ihr Atem bildete kleine Wolken, Morgennebel dampfte über dem Fluß. Die Bäume am Ufer hatten ihr Laub noch nicht abgeworfen, schwermütig neigten sich die Äste dem graugrünen Wasser zu, das still dahinglitt. Auf der Lindener Uferseite stachen die drei Schornsteine des Heizkraftwerks in den Himmel, und weiter hinten schimmerte die Kuppel vom alten Rathaus mit seiner Zukkerbäckerarchitektur im Morgenlicht. Viel mehr Markantes hatte die Skyline nicht zu bieten. Hannover war nicht Frankfurt, die niedersächsische Landeshauptstadt schmiegte sich bescheiden und geduckt ins Grün.
    Ein Jogger schnaufte an ihr vorbei. War Ann-Marie Pogge ihrem Mörder, wer immer es

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