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Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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niemanden sehen, schon gar keinen ihrer Liebhaber. Was für ein irreführendes Wort. Mit Liebe hatte all das überhaupt nichts zu tun gehabt, nur mit Sex. Zu lieben hatte sie sich nicht mehr erlaubt nach der Misere mit Moritz. Doch plötzlich war alles wieder präsent: der Sturz ins Bodenlose, wenn beim Erwachen die Realität auf sie niederprasselte, die Tage, die sie wie eine Schlafwandlerin hinter sich brachte, und am Abend das dumpfe, rotweintrunkene Grübeln. The first cut is the deepest … hieß es in einem Song, aber das stimmte gar nicht. Verglichen mit damals war der Schmerz jetzt noch viel schlimmer. Damals waren es Wut und Selbstmitleid, die sie umtrieben, nun versank Mathilde in Verzweiflung und Resignation. Weil sie inzwischen zwölf Jahre älter war und der Zahn der Zeit sichtbare Spuren an ihr hinterlassen hatte? Nein, erkannte Mathilde, weil Lukas Feller einzigartig war. Was machte es schon, daß er im Gefängnis saß? In acht Jahren würde er entlassen werden. Ihre Großmutter Merle hatte sieben Jahre auf ihren Hubert warten müssen und hatte gegen Ende nicht einmal gewußt, ob ihr Ehemann noch am Leben war. Was sind schon ein paar Jahre, fragte sich Mathilde, verglichen mit dem Glück, den Mann, der für mich bestimmt ist, überhaupt gefunden zu haben? Aber nein – ich mußte es ja verderben, mit meinen kleinlichen, jämmerlichen Ängsten!
    Mit jedem Tag, der verging, kostete es sie größere Überwindung, überhaupt morgens aufzustehen. Auch von Merle kamen in dieser Sache weder Rat noch Trost. Man begehrt immer das am meisten, was man gerade nicht haben kann, war die einzige Erkenntnis, die Mathilde von ihrem letzen Besuch am Grab mit nach Hause genommen hatte.
    Von nun an erschien Mathilde mittwochs wieder zur gewohnten Uhrzeit bei Franziska. Sie bemerkte zufrieden, daß die Dachrinne repariert worden war. Ihre Mutter roch nicht nach Alkohol, ihr Haar war frisch gefärbt in einem neuen Braunton, der ihr gut stand. Sie trug einen langen Wollrock, und über einem schwarzen Pullover baumelte ein Kreuz aus grünen Steinen, ein Schmuckstück, das Mathilde noch nie gesehen hatte. Franziska sah insgesamt ungewohnt züchtig aus – ein Adjektiv, das eigentlich gar nicht mit ihrer Person in Einklang zu bringen war, aber es entsprach exakt Mathildes Eindruck.
    »Hast du in letzter Zeit jemandem meine Telefonnummer gegeben?«
    »Nein. Das soll ich doch nicht, sagst du immer.«
    »Bitte denk noch einmal nach, es ist wichtig!«
    »Nur neulich diesem Kollegen von dir«, räumte Franziska ein.
    »Aber das ist schon Wochen her. Das war übrigens ein sehr netter Mann, wir haben uns lange unterhalten.«
    »Worüber denn?« erkundigte sich Mathilde neugierig.
    »Über Gott und die Welt, worüber denn sonst?« kicherte Franziska.
    »Häh?«
    »Na ja, weil er doch Religionslehrer ist …«
    Die Versuchung war groß, aber Mathilde nickte nur und verschwieg, daß es an ihrer Schule gar keine Religionslehrer gab.
    »Hast du mal einer Frau meine Nummer gegeben?«
    »Nur dieser bescheuerten Kuh vom Ordnungsamt, die mir wegen deines nicht bezahlten Strafzettels den Gerichtsvollzieher auf den Hals hetzen wollte. Hat sie sich bei dir gemeldet?«
    Mathilde stöhnte. »Laß bitte endlich deinen richtigen Namen ins Telefonbuch eintragen.«
    Franziska versprach es und wechselte dann rasch das Thema. »Besuchst du deinen Verbrecher nicht mehr?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    Mathilde hatte keine Lust, darüber zu sprechen, aber ihre Mutter würde ja doch keine Ruhe geben. »Es gab Probleme an der Schule«, sagte sie.
    »Deswegen triffst du ihn nicht mehr?«
    »Würdest du wegen eines Mannes das Malen aufgeben?«
    Franziska zog die Stirn kraus: »Nein, dann lieber den Mann. Aber daß mir mein Arbeitgeber vorschreibt, wen ich privat treffe, würde ich mir auch nicht gefallen lassen.«
    »Verdammt noch mal, kann man es dir eigentlich recht machen?« fuhr Mathilde aus der Haut.
    »Fluch nicht«, mahnte Franziska, ausgerechnet. Irgendwie, dachte Mathilde, benimmt sie sich in letzter Zeit recht sonderbar.
    Als Mathilde an einem nebligen Novembermorgen die Hannoversche Allgemeine Zeitung aus dem Briefkasten zog, fiel ihr Blick sofort auf die Überschrift:
Drogentoter in der JVA Hannover
     
    Noch auf dem Treppenabsatz las sie den Artikel darunter:
Ein drogenabhängiger Gefangener ist in der Nacht von Sonntag auf Montag in der Justizvollzugsanstalt Hannover unter noch ungeklärten Umständen gestorben. Der Mann (24) sei bei der

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