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Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Anstrengung und die permanente Selbstverleugnung ließen sie abstumpfen. Nur für seinen Bruder, den Idioten, fand sie noch zärtliche Worte. Daran änderte sich auch nach dessen Tod nichts, und Lukas kam allmählich zu dem Schluß, daß er es aus irgendeinem Grund nicht verdiente, geliebt zu werden. Dagegen wappnete er sich mit Zynismus. Und über seine Gefühle sprach er zu niemandem.
    Auch jetzt betrachtete er das Mädchen stumm von der Seite. In einem luftigen Sommerkleid saß sie auf einer Decke. Das rote Haar floß in weichen Kaskaden über ihren gekrümmten Rücken. Sie las in einem Buch, während er sich ausmalte, was man mit diesem grazilen Körper alles anstellen könnte.
    »Soll ich dir vorlesen?« fragte sie.
    »Wenn es interessant ist.«
    Das Buch war in Packpapier eingebunden, wie ein Schulbuch. Allerdings war es definitiv kein Schulbuch. Aber dennoch lehrreich.
    Sie machte ihre Sache gut. Ihre Stimme war ein ruhiger gleichmäßiger Fluß. Zuweilen traute er seinen Ohren nicht, mochte nicht glauben, daß solche Worte, solche Sätze gedruckt worden waren. Andererseits konnte er sich nicht vorstellen, daß sich eine Dreizehnjährige derart Obszönes und Perverses ausdenken könnte. Und wie selbstverständlich ihr die vulgärsten Worte über die Lippen kamen!
    Für Lukas war diese Lektüre eine Offenbarung. Es war also erlaubt, so etwas zu denken. Und es war sogar zulässig, es aufzuschreiben.
    »Woher hast du das?« unterbrach er sie, als gerade eine besonders grausame Episode ihr letales Ende gefunden hatte.
    »Aus der Stadtbücherei.«
    »Und das haben sie dir da so einfach gegeben?«
    »Natürlich nicht. Ich hab’s geklaut. Stand im Regal ›Erotica‹. Soll ich weiterlesen?«
    »Wenn du willst.«
    Nach einer Stunde klappte sie das Buch zu und sah ihn mit graublauem Unschuldsblick an, nicht ahnend, welche Tür sie soeben geöffnet hatte.
    Mathilde richtete sich langsam in Sitzposition auf. Jeder einzelne ihrer Muskeln schmerzte, aber dieses Leiden war vergleichsweise harmlos. Es wurde überlagert von einem glühenden Schmerz in ihrem Kopf. Um sie herum war es dämmrig. Sie blinzelte und sah sich langsam um. Irritiert betrachtete sie die karge Kellereinrichtung. Sie versuchte sich aufzurappeln, doch ihre Beine verweigerten die Befehle ihres Gehirns. Sie torkelte. Ihre Füße stießen gegen ihre Handtasche, und sie bückte sich, um sie aufzuheben. Ein Fehler. Ein Schwindelanfall schleuderte sie gegen die Wand. Sie japste nach Luft und atmete ein paar Mal tief durch. Es roch ekelhaft. Nein, hier durfte sie auf keinen Fall bleiben. Sie machte sich an den Aufstieg, die Treppe hinauf, dorthin, wo das Licht herkam. Sie hörte Stimmen. Eine Frau sagte: »Mit etwas Phantasie kann man sich diese Siedlungshäuschen ganz schnukkelig herrichten. So … hier also geht es zum Keller. Wenn Sie mal einen Blick hineinwerfen wollen, aber er ist…«
    Die Tür wurde geöffnet. Mathilde, geblendet von einer Lichtflut, machte die Silhouetten von drei Menschen aus.
    »Wieso geht denn das Licht nicht an?« murmelte die Frau. Dann stieß sie einen Schrei aus und fuhr zurück. Mathilde wankte die letzten Stufen hinauf und blieb, am Türrahmen festgekrallt, stehen. Blinzelnd betrachtete sie die drei Gestalten, die sich schreckensstarr gegen die Wand des engen Flurs drückten. Es handelte sich um eine Dame ihres Alters in einem Hosenanzug, die eine Mappe in der Hand trug, und ein junges Paar in Jeans. Mathilde wollte grüßen, aber ihre Stimme glich der eines Kolkraben. Die drei verstanden sie offenbar nicht. Jedenfalls antwortete keiner.
    Sie kümmerte sich nicht länger um die Leute und ging mit großen Schritten an ihnen vorbei, wobei sie sich mit den Händen an der Wand abstützte. Ihr Ziel war die Küche, der Wasserhahn. Sie beugte sich über die Spüle und trank gierig direkt aus dem Hahn. Zwischendurch sah sie sich zu einer kurzen Unterbrechung gezwungen, denn sie hatte sich verschluckt und mußte husten.
    »Äh … Verzeihung. Hilde Romeikat ist mein Name, ich bin die Maklerin …«
    Mathilde richtete sich auf. Wasser, köstliches Wasser rann ihr über Kinn und Hals, sie unterdrückte einen Rülpser und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Die junge Frau drängte sich verängstigt an ihren Partner.
    Mathilde sah an sich hinunter. Ihr einst helles Kostüm besaß nicht mehr viele helle Stellen, ihre Knie waren aufgeschürft, die Schuhe staubig und zerkratzt. Vermutlich war ihr Gesicht ähnlich schwarz wie ihre

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