Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
noch eine Serviette an, und ich genierte mich zu fragen, wo die Toilette war, um nicht so hinlaufen zu müssen, mit heruntergelassenen Hosen, also zog ich sie einfach hoch, die Unterhose saugte die Flüssigkeit auf, und mein Flüstern klang wie ein Räuspern, als ich sagte, jetzt habe ich Durst.
Was möchtest du trinken, fragte er mit verschlossenem Gesicht, höflich, aber nicht freundlich, als sei er wütend auf mich, und ich sagte, Kaffee, und er, meine Frau kommt gleich nach Hause, etwas Schnelleres wäre besser, und sofort kam er mit einem Glas Orangensaft zurück, ich trank ihn langsam, um Zeit zu gewinnen, schluckte langsam die säuerliche Flüssigkeit, schließlich hätten wir uns jetzt näher sein sollen, warum war er statt dessen noch distanzierter als vorher, Joni entspannte sich immer auf mir, nach einem Fick, und hier gab es nicht einen Hauch von Gelassenheit. Ungeduldig wartete er darauf, daß ich austrank, wie ein Geschäftsinhaber, der endlich den Laden zumachen will, ich hielt ihm das leere Glas hin, und er brachte es sofort in die Küche und sagte wieder, meine Frau kommt gleich von der Arbeit, und ich sagte leise, ja, ich gehe schon, versuchte, mich zu sammeln, versuchte, ein bißchen Wärme aus den grauen Augen zu ziehen, aber sie waren vollkommen erloschen, und ich konnte mich nicht mehr beherrschen und fragte, wer war die Frau mit der Zigarettenspitze, und er sagte schnell, die Nichte meiner Frau, aus Paris, warum?, als hätte er nichts zu verbergen, und ich sagte, nur so, und er sagte, aha, als Abschluß und als Abschied, und machte die Tür auf, die noch nicht einmal abgeschlossen gewesen war, und sagte höflich, einen schönen Gruß zu Hause, ich sagte danke und war schon auf der anderen Seite der Tür, der Schlüssel wurde sofort umgedreht, ausgerechnet jetzt machte er sich die Mühe abzuschließen.
Langsam ging ich das enge Treppenhaus hinunter, schwankte wie ein kleines Kind bei seinen ersten zitternden Schritten, aber ohne sein stolzes Jauchzen, und dann wurde ich plötzlich geblendet, sah überhaupt nichts mehr, trotz der nachmittäglichen Helle draußen, setzte mich auf die Treppe, vollkommen gleichgültig gegenüber den Bienen, legte mit geschlossenen Augen den Kopf auf die Knie, fühlte, wie ich versank, und die ganze Zeit sagte ich zu mir, was hast du getan, was tust du, was wirst du tun, als wäre ich im Grammatikunterricht, was hast du getan, was tust du, was wirst du tun, und ich hörte, wie ein Auto neben mir hielt, hörte es hupen, bestimmt war seine Frau zurückgekommen und hupte, damit er herunterkam und ihr beim Tragen half. Ich mußte weg hier, kaum schaffte ich es, aufzustehen, jemand kam zu mir und stützte mich, und ich sah verblüfft, daß es der Taxifahrer war, der mich hergefahren hatte, und er sagte, ich war zufällig in der Gegend und wollte sehen, ob Sie vielleicht ein Taxi brauchen, um nach Hause zu fahren, und ich war überglücklich, ihn zu sehen, als wäre er mein Retter. Er machte mir die Tür auf, setzte mich vorsichtig hinein und fragte, was ist passiert, und ich sagte, ich fühle mich nicht wohl, und er sagte, vor einer halben Stunde haben Sie sich ausgezeichnet gefühlt, eine Frau wie Sie sollte nicht so rumlaufen, Sie sollten zu Hause bleiben, wer was von Ihnen will, sollte zu Ihnen kommen, und ich fing an zu weinen, die Demütigung brachte mich dazu, mich vorwärts und rückwärts zu wiegen, als betete ich, und er murmelte weiter, es wird alles gut, machen Sie sich keine Sorgen, und schließlich, als denke er laut, vielleicht ist bei Ihnen das Herz wirklich noch klein, wie das Herz eines Säuglings, und legte mir besänftigend die Hand aufs Knie, machen Sie sich keine Sorgen, es wird noch wachsen, und er trug am Finger einen breiten weibischen Goldring, dessen Strahlen mich blendeten, ich schloß meine schmerzenden Augen, und sogar durch die geschlossenen Lider konnte ich sehen, wie sein Herz unter dem Hemd schlug, wie eine pralle, warme Brust voller Milch, voller Gutmütigkeit.
Im abgedunkelten Schlafzimmer, in das nur ein kleiner Lichtstrahl fiel, ließ meine Blindheit nach, aber die Wellen, in denen ich versank, kamen wieder und wieder, ich rollte mich im Bett hin und her, um mich zu beruhigen, aber ich schaffte es nicht, auf Jonis Seite zu gelangen, als wäre da plötzlich eine Mauer, die Mauer meines Verrats an ihm. Schon immer hatte es irgendwelche Hindernisse zwischen seiner und meiner Seite gegeben, Differenzen, Spannungen, Kränkungen, aber
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