Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
wollen wir nur zu Hause ankommen, aber was sollen wir dort tun, was bleibt uns zu tun, das wir nicht schon versucht hätten, wer wird uns helfen? Was würde die Heilerin mit dem Baby jetzt sagen, sind das etwa auch gute Nachrichten, soll das etwa auch eine Chance sein? Erbittert denke ich an sie, als wäre sie an allem schuld, und dann, mit einem plötzlichen Aufblitzen von Hoffnung, das ist es, was wir tun werden, wir rufen sie an, sie wird sofort kommen und die Wohnung mit Räucherstäbchenduft füllen, um wenigstens einen Anschein von Geschäftigkeit zu wecken, und ich sage zu Udi, wenn wir zu Hause sind, werden wir gleich Sohara anrufen. Ich hätte erwartet, daß er sich wehrt, doch er nickt zustimmend, das habe ich auch gerade gedacht, und sein Gesicht wird wach, als er sagt, denn wir werden Aseka nicht sehen.
Wen, frage ich, und er sagt, Aseka, das war eine große befestigte Stadt in Juda, das sind die Zeilen, die ich in den Briefen von Lachisch am meisten liebe, den ganzen Morgen habe ich versucht, mich an sie zu erinnern, und jetzt fallen sie mir ein. Es möge Gott meinen Herrn eine Nachricht des Friedens hören lassen, jetzt heute, jetzt heute. Und er möge wissen, daß wir auf die Signale von Lachisch achten entsprechend allen Zeichen, die mein Herr gibt. Denn wir können Aseka nicht sehen. Ich höre widerwillig zu, was nützen mir jetzt die antiken Briefe, ich will nur, daß Sohara Zeit hat, daß sie bald kommt und bei ihm bleibt, damit ich zur Arbeit zurückkehren kann, so geht es nicht weiter, einen Tag nach dem anderen. Sie hat wirklich Zeit, sie hört mir zu, bestätigt meinen erschrockenen Bericht, als habe sie genau diese Entwicklung erwartet, als passiere alles zu ihrer vollkommenen Zufriedenheit, und dann verspricht sie mir, sofort zu kommen, und er seinerseits läuft zum Badezimmer, murmelt wieder und wieder die Zeilen vor sich hin, die ihm nun eingefallen sind, wie ein Junge vor seiner Bar-Mizwa, der die Haftara vor sich hin murmelt, er wäscht sich die beschämende Vergeßlichkeit vom Leib, und ich betrachte ihn, wie er mit angezogenen Knien in der Badewanne sitzt, knochig lehnen sie aneinander, und als er die Augen aufmacht und mich bemerkt, breitet sich ein verlegenes, hilfloses Lächeln auf seinem Gesicht aus. Mir fällt auf, daß irgend etwas an ihm fehlt, ich betrachte ihn besorgt, so, wie man eine Wohnung nach einem Einbruch mustert, um zu entdecken, was fehlt. Was fehlt ihm, die Anzahl der äußeren Teile ist doch gering, das meiste ist im Inneren verborgen, unter der schützenden Hautschicht, seine Glieder sind da, wo sie hingehören, und trotzdem fehlt etwas, etwas, was alles andere zusammengehalten hat, es ist die Sexualität, die ihn zu einem energischen Ganzen gemacht hat, und plötzlich ist sie aufgeweicht, die Sexualität hat die Herrschaft über ihn verloren, und ohne sie ist er zu einem unbedeutenden, ziellosen Geschöpf geworden, das nicht weiß, was es will. Wenn ich früher das Badezimmer betrat und er darin war, hat sein Körper sich immer geregt, als wäre er von einem Wind gestreift worden, während er jetzt gleichgültig und mit schweigendem Körper zuschaut, wie ich mich ausziehe. Ich gehe gleich raus, sagt er, aber ich hebe das Bein und setze mich zu ihm in die Wanne, der Platz reicht für uns beide, sage ich, hast du das vergessen, Udi?
Mein weißes, breiter gewordenes Becken berührt die Ränder der Badewanne, sperrt das Wasser ab wie eine Schleuse, es staut sich hinter meinem Rücken, spottet über meinen Speck, früher hat es ihm gefallen, wenn ich etwas dicker war, aber jetzt scheint er mich nicht mehr wahrzunehmen, was will er, was treibt ihn einem Ziel entgegen, vielleicht die Sehnsucht nach Genesung, vielleicht etwas anderes, es gibt keinen Willen mehr, der mich bedroht, denn ich habe keinen Anteil an dem, was die plötzliche Leere füllt.
Er seift sich sorgfältig ein, hebt die Füße und wäscht sich jeden Zeh, sogar zwischen den Zehen, als wäre er durch Schlamm gewatet, dabei murmelt er irgend etwas vor sich hin, er ist ganz in sich selbst versunken, jetzt erinnere ich mich, verkündet er triumphierend. An meinen Herrn Ja’usch. Es möge Gott meinen Herrn eine Nachricht des Friedens hören lassen, jetzt heute, jetzt heute. Wer ist dein Knecht wenn nicht ein Hund, daß mein Herr seines Knechts gedenkt, und er möge wissen, daß wir auf die Signale von Lachisch achten entsprechend allen Zeichen, die mein Herr gibt. Denn wir können Aseka nicht sehen.
Er
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