Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)
einziges Mal abends im Schutz der Dunkelheit in irgendeinem Nachtklub, um sich dort zu amüsieren. Auch solche Ausflüge wären Kitty nicht verborgen geblieben, da sie ihm ja auf Schritt und Tritt folgte, dabei immer auch auf einen sicheren Abstand achtend.
„Robert Debus & Begleitung“ konnte also nur ein Irrtum sein, sagte sie sich ein weiteres Mal, angestrengt um Gelassenheit und Sachlichkeit bemüht. Vielleicht brachte er seinen Sohn mit, versuchte sie sich im nächsten Moment schon selbst zu überzeugen. Das konnte Robert natürlich tun, obwohl Kitty ausgerechnet Julian Debus nicht leiden konnte, mehr noch, sie verabscheute ihn.
Für diese heftige Abneigung gab es eigentlich keinen Grund, denn sie kannte Roberts Sohn kaum, und dennoch war er ihr verhasst – möglicherweise, weil er seit dem Verschwinden von Sarah Niehusen bei Robert wohnte und auch nicht die Absicht zu haben schien, daran etwas zu ändern.
Damit hatte er Kittys Träume radikal zerstört, denn natürlich war sie sich ziemlich sicher gewesen, nach einer gewissen Wartezeit bei Robert einziehen zu können, zumindest für die Nächte.
Sie war von Anfang an und immer noch davon überzeugt, dass es eine Rückkehr von Sarah Niehusen zu Robert nicht geben würde. Warum er trotzdem alleine blieb, begriff sie nicht. Ihr unverblümtes Angebot für eine Affäre mit ihr hielt sie nach wie vor aufrecht und hörte auch nicht auf, daran zu glauben, dass Robert es eines Tages doch noch annehmen würde.
In dieses Chaos von Vermutungen, Ahnungen und Erinnerungen, die wie Blitze durch ihren Kopf schossen, fragte ihr schmerzendes Herz verächtlich:
„Ja und? Wieso, glaubst du, hat Robert sich immer mehr von dir zurückgezogen? Inzwischen braucht er dich auch als seine persönliche Assistentin nicht mehr, sondern arbeitet stattdessen mit Jens Schneider zusammen.“
Kitty presste die Lippen fest zusammen. Das wollte sie nicht hören, daran wollte sie nicht erinnert werden. Aber es führte kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass Robert irgendwann angefangen hatte, sie als seine persönliche Assistentin abzuhängen.
Stattdessen übernahm Jens Schneider alles, was bislang in Kittys Ressort gehört hatte. Jeder in dieser Firma schien das für eine normale Entwicklung zu halten, denn niemand protestierte dagegen, Jens nicht und auch ihr Vater nicht.
Und sie bemerkte viel zu spät, was hinter ihrem Rücken vorging.
Sie begriff es erst, als Robert ihr irgendwann einen Aktenordner, den sie ihm mit den Worten „Das sind alle Unterlagen, die wir am Mittwoch in Leipzig brauchen“, überreichte, woraufhin er ihr die Akte aus der Hand nahm und freundlich, aber unmissverständlich erwiderte:
„Danke. Du brauchst dich übrigens zukünftig nicht mehr um diese Dinge zu kümmern. Dein Vater und ich sind uns einig, dass wir dich entlasten sollten. Deshalb übernimmt Jens den Job. Ab sofort.“
Das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte. Es klingelte sogar sehr lange, doch Kitty nahm den Hörer trotzdem nicht
ab. Sie presste ganz fest die Augen und auch die Lippen zusammen, während sie gleichzeitig die Hände gegen ihre Ohren legte.
„Das halte ich einfach nicht aus“, sagte sie zu sich, und weil sie dieses Klingeln, die Arbeit, das ganze Leben nicht mehr aushielt, wollte sie nichts mehr hören, sehen oder sagen müssen.
Es war ein Freitag im Dezember, elf Uhr vormittags, und Kitty Cornelius wünschte sich nichts sehnlicher, als tot oder zumindest ganz woanders zu sein als hier, auf diesem Platz, an diesem Schreibtisch, in dieser Firma, die immer mehr einem Moloch glich, der alles verschlang, was man ihm hinwarf.
26. Kapitel
A m anderen Ende der Welt schlenderten zwei junge Menschen Hand in Hand über die Wiesen, wo es nach frisch gemähtem Gras duftete und eine Singdrossel irgendwo in einem Busch ihr Nachtlied, das stark dem Gesang einer Nachtigall glich, immer wieder neu anstimmte.
Es war zehn Uhr abends, die Sonne war eine Stunde zuvor untergegangen, der Tag, der hinter ihnen lag, war heiß und sonnig gewesen, die Nacht würde milde bleiben.
Sarah und Frederik hatten geredet und geschwiegen, gerade so, wie es ihnen einfiel, und dass Frederik plötzlich anfing, eine Art einsamen Monolog zu halten, das war Sarahs Schuld, denn sie hatte ihm eine Frage gestellt, die sie unausgesprochen seit einer Ewigkeit mit sich herum trug.
Diese Frage lag allerdings fast eine halbe Stunde zurück, ohne dass Frederik darauf reagierte, gerade so, als wäre kein Wort davon
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