Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)
ausprobierten, angeregt von der wilden See. Keuchend vor Anstrengung warfen sie sich gegen die heran rollenden Brecher, versuchten, ihnen stand zu halten, auf ihnen zu reiten oder darunter abzutauchen und kamen jenseits der Brandung im weiten, wogenden Ozean wieder nach oben.
Dann schwammen sie ruhig eine Weile umher, warteten auf die nächste ideale Welle. Als sie sahen, wie sich der lang gestreckte Wellenberg erhob, grünlich leuchtend, sich unaufhaltsam und Furcht erregend am Kamm zu kräuseln begann, begann Sarahs Herz schneller zu schlagen, denn nun kam die Woge unweigerlich mit einer Mähne aus weißem Schaum auf sie zugerast.
Frederik konnte Sarahs begeisterten Aufschrei hören, als sie sich in einem vollendeten Gleichklang in die schimmernde Wasserlawine warfen, fühlten, wie die Wogen auf ihren Rücken zerbarsten, wurden von der Brandung begraben, empor gehoben und gegen das Ufer getragen, atemlos und glühend.
Zum ersten Mal hatte Sarah das Gefühl, kein einzelnes Wesen mehr, sondern vom gleichen Element wie die See zu sein – und gleichzeitig waren sie und Frederik jeder ein Teil des anderen.
Inzwischen war die Sonne noch höher gestiegen. Frederik und Sarah sanken hinter der Badekabine in den Sand, der auf ihrer glühenden, salznassen Haut klebte und leicht staubte, während sie in der Wärme trockneten.
Sarah lag auf dem Rücken, von wohliger Erschöpfung und seltsamem Verlangen zugleich erfüllt. Sie war sich plötzlich auf eine ganz neue, erregende Art Frederiks Nähe bewusst.
Seine Blicke, unter dichten, gesenkten Wimpern versteckt, schienen ihren schmalen, halbnackten Körper zu erkunden, als seien sie Hände. Sanfte, doch ebenso verlangende Hände, die entdeckten, streichelten, inne hielten, Sarah erbeben ließen.
Zitterten diese Hände?
Nein, sie war es, die unter dem Eindruck ihrer Fantasien erbebte.
Als sie nach Blue Horizon zurückkehrten, saßen sie auf der Veranda um den großen, runden Tisch, genossen das von Rebecca selbst gemachte Eis, zu dem Erdbeeren serviert wurden, die Kinder tranken Saft, die Erwachsenen stärkten sich mit Tee und Kaffee. Es herrschte eine rege Geräuschkulisse, weil alle immer auf einmal redeten, besonders Rebeccas kleine Söhne hatten viel zu erzählen – bis der Jüngste schließlich in den Armen seines Vaters einschlief und Rebecca entschied, dass es nun höchste Zeit sei, nach Hause zu fahren.
Sarah blickte den beiden größeren Söhnen nach, wie sie davon sprangen, der eine links, der andere rechts von Glenn, während der Jüngste in Rebeccas Arm schlief, sein Haar so hell wie das seiner Mutter, das kleine Gesicht zart, entspannt, mit geschlossenen Augen wie ein Engel, der direkt vom Himmel in Rebeccas Arme gefallen zu sein schien…
Frederik bemerkte sehr wohl die Wehmut, aber auch die Sehnsucht in Sarahs Augen, und weil er inzwischen ihre Geschichte kannte, ahnte er nicht nur, sondern konnte nachfühlen, was in diesen Minuten in ihr vorging.
Deshalb stand er auf und trat neben Sarah, legte einen Arm um sie, ohne etwas zu sagen. Sie verstand ihn trotzdem, wusste, was er ihr mit seiner Geste sagen wollte. So wandte sich langsam zu ihm um und lehnte ihre Stirn gegen seine Schulter.
„Es war sehr, sehr schön heute“, hörte er sie leise sagen. „Alles war so überwältigend. Ich war so glücklich.“
„Aber?“ fragte Frederik, als sie innehielt.
Da presste sie ihr Gesicht noch heftiger gegen ihn. „Als wir dann hier saßen, diese große, laute und ausgelassene Runde, da musste ich plötzlich an Gregor denken.“
„Und?“
Sie atmete einmal tief ein, ehe sie flüsterte: „Es tut mir weh, aber ich habe Angst, ihn zu vergessen.“
Frederik umarmte sie liebevoll, tröstend. „Ich auch, Sarah, ich auch. Doch das darf uns nicht quälen. Natürlich vergisst man seine Eltern nie. Aber der Verlust hört irgendwann auf, weh zu tun. Und wir leben unser Leben weiter. Es ist nichts, wofür wir uns schuldig fühlen müssten. Es ist einfach normal.“
Nachdem sie noch einige Minuten schweigend auf der Veranda gestanden und dorthin geschaut hatten, wo Rebecca, Glenn und die Kinder in ihrem Landrover verschwunden waren, lag Frederiks Arm noch immer um Sarahs Hüften. Es war keine aufdringliche, sondern eher zuverlässige Geste. Schließlich fragte Frederik:
„Hast du Lust auf einen kleinen Spaziergang durch die Wiesen?“
Sie nickte sofort, als hätte sie nur auf seine Frage gewartet, bereit, mit ihm zu gehen, wohin auch immer.
„Was ist das?“
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