Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)
Boss, aber…“
„Kein Aber“, nun lächelte Rebecca. „Er duldet kein Aber, weißt du?“
„Danke, dass du mich erinnerst. Wann dürfen wir den großen Herrn und Meister denn heute erwarten?“
Rebecca hob vage die Schultern. „Keine Ahnung. Er hat gesagt, es kann später werden. Das sagt er immer. Aber er sagt auch immer, dass ich pünktlich Feierabend machen soll und da habe ich inzwischen keine Skrupel mehr. Um sechs Uhr schließe ich die Tür hinter mir und fahre nach Hause.“
„Ich kann mich um das Abendessen kümmern, wenn du möchtest“, bot Sarah an. „Ich bin zwar keine großartige Köchin…“
„Ich habe einen Shephard´s Pie vorbereitet“, sagte Rebecca. „Wäre nett, wenn du den in den Backofen schieben würdest, wenn Frederik da ist.“
„Kann er das nicht alleine? Den Auflauf in die Röhre schieben?“ monierte Sarah, und prompt lachte Rebecca auf.
„Natürlich kann er das. Er betont es auch andauernd. Aber wenn er sehr spät nach Hause kommt, dann isst er irgendwas, weil ihm alles andere zu lange dauert.“
„Alles klar. Ich sorge für Frederiks Dinner. Verlass dich ganz auf mich. Dich will ich Punkt Sechs hier nicht mehr sehen. Und hör´ auf, mich zu bedienen, Rebecca. Das ist mir unangenehm. Ich bin kein Besuch, ich kann mir hier im Gartenhaus selbst was kochen.“
„Was du ja nicht tust“, parierte Rebecca lakonisch. „Gib dir keine Mühe, ich sehe und höre alles. Und so dünn, wie du auf `Blue Horizon` angekommen bist, wirst du nicht nach Hause fahren, solange ich hier die Haushälterin bin, verstanden?“
Sarah lachte schallend.
Die beiden jungen Frauen unterhielten sich in englischer Sprache – Rebecca in jenem typisch neuseeländischen Englisch, der sich von Sarahs akzentfreiem, absolut neutralen und feinem „Queens“-Englisch deutlich unterschied.
Mit Rebecca verband sie inzwischen so etwas wie eine kumpelhafte Freundschaft. Die schöne Neuseeländerin hatte Sarah vor acht Wochen nach dem langen Flug von Frankfurt nach Auckland in Empfang genommen und sie von Anfang an mit ihrer Herzlichkeit und Unkompliziertheit beeindruckt.
Wie einst auch Ilka, war Sarah vom ersten Moment an überzeugt gewesen, dass Rebecca und Frederik ein Paar waren. Sie musste diese Vermutung jedoch schon am dritten Tag nach ihrer Ankunft auf der Farm „Blue Horizon“ aus ihrem Kopf streichen.
Rebecca war, obwohl noch ziemlich jung, seit vier Jahren mit Glenn Redfern verheiratet und Mutter von drei kleinen Söhne. Sie führte Frederik Becker den Haushalt seit seiner Ankunft auf Neuseeland vor fast fünf Jahren, nachdem sie die Schule ohne Abschluss im 13. Jahr verlassen und beschlossen hatte, ihr Leben selbst und ganz anders zu gestalten, als es ihre Eltern für sie planten.
Das alles erzählte sie Sarah so unbefangen und heiter, als sei es selbstverständlich, alles hinter sich zurück zu lassen und von den eigenen Eltern für den Rest des Lebens – so war es ihr angedroht worden! – verstoßen zu werden, weil sie einen Mann liebte und geheiratet hatte, der ein Maori war.
In den ersten zwei Wochen ihres Aufenthalts auf „Blue Horizon“ hatte Sarah ihren Gastgeber Frederik Becker gar nicht zu Gesicht bekommen. Er befand sich auf einem Symposium in Baltimore, dem sich eine Vortragsreihe an mehreren amerikanischen Universitäten anschloss.
Sarah, die ganz selbstverständlich immer davon ausging, dass Frederik wie sein Vater Lehrer geworden war, erlebte also eine weitere Überraschung, die Ilka ihr möglicherweise absichtlich verschwiegen hatte, um sie nicht zu beunruhigen.
Frederik hatte Psychologie studiert. Nach dem Examen und einer exzellenten Doktorarbeit war er nach Neuseeland ausgewandert – ein Entschluss, den er nach seinem schweren Motorradunfall schneller umsetzte, als er eigentlich geplant hatte.
Inzwischen teilte Frederik sich mit einer älteren Kollegin eine Praxis in Gisborne, verließ morgens um neun Uhr die Farm, um zehn Stunden später hierher zurück zu kehren.
Sarah fand seinen Arbeitstag mörderisch, aber Frederik schien das nicht zu stören. Er schuldete ja auch niemand eine Erklärung, wenn er spät nach Hause kam, er trug Verantwortung nur für sich selbst.
Aus dieser Perspektive betrachtet, war Gregor Beckers Sohn beinahe zu beneiden, fand Sarah. Es gab keinen, dem er eine Rechtfertigung schuldete für das, was er tat und wie er es tat. Sie hatte Robert gegenüber häufig das Gefühl gehabt, sich für alle möglichen Dinge entschuldigen zu
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