Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)
hatte. Ohne darüber nachzudenken, ob sie die Dinge wirklich brauchte, die sie kaufte und die sie sich natürlich ins Haus schicken ließ, sodass sie völlig unbelastet nach einer Shopping-Tour in die kleine Villa im Stadtpark zurückkehren konnte.
Sie hatte das Geld – Roberts Geld – mit vollen Händen ausgegeben. Vielleicht sogar zum Fenster hinausgeworfen. Es gehörte zu ihrem Leben wie Essen, Trinken und Schlafen, nachmittags loszugehen und drei, vier Paar Schuhe, ein Wildlederkostüm und den passenden Hut dazu zu kaufen, ohne auch nur einen einzigen Augenblick darüber nachzudenken, ob sie das alles tatsächlich brauchte.
Zuhause wartete ein riesiger begehbarer Schrank auf das, was sie – oft im Vorbeigehen – mitbrachte, und sie erinnerte sich heute beschämt, dass sie irgendwann einmal angefangen hatte, die Paare Schuhe zu zählen, die sie besaß, um bei der Zahl „Achtzig“ das Zählen abzubrechen, weil es sie ermüdete.
Jetzt stand sie hier, das Geld, das sie bei sich hatte, reichte vielleicht noch für einen Cappuccino oder einen Eisbecher, starrte auf die wundervollen Schuhe hinter der Schaufensterscheibe und stellte sich erneut jene Fragen, die sie seit einiger Zeit wie ein Schatten, der sich nicht abschütteln lassen wollte, überallhin begleitete:
Wie sollte es weitergehen?
Gab es eine Zukunft für sie? Als Schauspielerin? Frau? Als MENSCH?
Oder würde ihr Leben sich so fortsetzen, wie es jetzt war – mit der ewigen Sorge um den nächsten Tag, die nächste Woche, ganz zu schweigen vom nächsten Monat…
„Kann ich helfen?“ fragte eine Stimme hinter ihr, und fast gleichzeitig legte sich eine Hand leicht auf ihre linke Schulter.
Sie fuhr herum. „Robert!“
Er schmunzelte. „Hab´ ich dich ertappt! Kannst du dich wieder einmal nicht entscheiden, welche Schuhe du kaufen sollst?“
Verena starrte ihn immer noch ungläubig an. „Ausgerechnet du… Also, eh, nein, ich glaube, ich lass es für heute gut sein“, stieß sie dann mit einem kleinen, unsicheren Lachen hervor.
„Falls du einen neutralen Ratgeber brauchst, ich steh´ dir gerne dabei zur Seite“, bot Robert an.
„Tatsächlich? Was machst du hier an einem ganz normalen Mittwochnachmittag? Bist du nicht der wichtigste Mann in der Firma von Paul Cornelius? Und überhaupt – solltest du nicht in Rostock sein?“
Er zuckte gleichgültig mit den Achseln. „Jeder ist entbehrlich, Verena. Die Firma hat inzwischen hier ihren Hauptsitz und da nehme ich mir nachmittags immer wieder mal eine kleine Auszeit.“
„Ach was? Und Pauls Unternehmen ist noch nicht zusammengebrochen?“
„Soviel ich weiß – nein. Heute Vormittag hatte ich jedenfalls nicht den Eindruck. Und du? Was tust du hier – außer Schuhe zu kaufen?“
Verena vermied es ihn anzusehen, als sie dem Schaufenster den Rücken zuwandte und dabei betont salopp antwortete:
„Ich habe gerade einen Job versaut. Deshalb lautet jetzt die Devise: Kein Job, keine neuen Schuhe.“
Robert trat einen Schritt zurück, um seine geschiedene Frau aus der Distanz genauer anzusehen und so festzustellen, ob sie gerade versuchte, witzig zu sein oder tatsächlich meinte, was sie sagte. Er hasste Gespräche über Geld. Sein Vater hatte regelmäßig in solchen Situationen gesagt: „Über Geld spricht man nicht. Man hat es oder man hat es nicht.“
Und damit war für ihn dieses Thema erledigt gewesen.
Robert und Verena hatten während ihrer Ehe nie über Geld gestritten. Für ihn war es selbstverständlich gewesen, dass sie ihr eigenes Konto, ihr eigenes Scheckbuch, die eigenen Scheckkarten besaß.
„Was für ein Job war denn das?“ erkundigte er sich nach einem kleinen Schweigen vorsichtig.
Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen das Schaufenster, vergrub die Hände in den Rocktaschen und sagte, während sie an Robert vorbei schaute:
„ `Gleemo`. Ein neues Produkt, das dem Haar einen besonderen Glanz verleihen soll.“
„Was ist denn da falsch gelaufen? Hast du nicht schon öfters Werbespots gedreht?“
„Drei. Das heißt nicht, dass ich ein Profi auf dem Gebiet wäre. Und es heißt erst recht nicht, dass es mir Spaß gemacht hat. Ich mache das, Robert, weil ich von irgendwas leben muss.“
„Ich nehme an, du hast beim Norddeutschen Fernsehen, beim Theater hier und in Hamburg vorgesprochen?“
„Ich bin dort alle Türen eingerannt, egal, ob sie offen oder geschlossen waren“, erinnerte sich Verena bitter. „Aber es ist schwierig für eine Frau von Ende Vierzig, ein
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