Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)
hatte, hob in einer für ihn typischen und gleichzeitig unvergleichlichen Art seine rechte Augenbraue.
„Du trinkst zuviel, Kitty. Lass es. Alkohol ändert nichts an der Situation.“
„Danke für den Hinweis, aber ich lass mich heute voll laufen, bis ich umfalle. Außerdem bin ich erwachsen.“
„Du benimmst dich aber nicht so. Weißt du, was mich wundert? Dass du die andere Frau nicht erkannt hast.“
„Wieso sollte ich?“
„Weil das Verena Hartung war.“
„Hartung? Kenn´ ich nicht.“
„Früher hieß sie Debus. Sie ist Roberts geschiedene Frau. Nach der Scheidung hat sie ihren Mädchennamen wieder angenommen. Sie war mal eine ziemlich bekannte Schauspielerin. Und im Fernsehen lief bis vor kurzem eine Soap mit ihr in der Hauptrolle.“
„Ach?“ Mehr brachte Kitty nicht über die Lippen. Sie war seit langer Zeit zum ersten Mal wieder sprachlos.
„Aber du weißt schon, dass Robert mal verheiratet war, oder?“ Jens wurde spöttisch.
Prompt begann Kitty wieder zu wüten. „Na klar weiß ich das. Allerdings dachte ich, die Sache hätte sich längst erledigt.“
„Sieht nicht danach aus, fürchte ich“, brummte Jens. „Es wird erzählt, dass seine Ex wochenlang bei ihm gewohnt hat.“
Kitty erstarrte ein weiteres Mal. „Heißt das, Robert ist wieder mit seiner geschiedenen Frau zusammen?“
„Keine Ahnung. Aber nach alldem, was du so erzählt hast, kann man wohl davon ausgehen.“
Kitty stöhnte innerlich auf. Ihr Gesicht brannte, ihr schwarzes Haar war wirr, und die Tatsache, dass sie schon wieder nach Jens Schneiders Zigarettenetui griff, weil sie unbedingt das Chaos, das in ihr tobte, wegrauchen musste, ließ nichts Gutes ahnen.
Im `Take Five`, das eigentlich nur eine kleine Bar war, tobte auch an diesem Freitagabend das Leben. „After-Work -Party“ lautete das Zauberwort, was nichts anderes hieß, als dass junge Leute zwischen Zwanzig und Vierzig hier den Einstieg in das bevorstehende Wochenende feierten. Man ging nicht schon längst nicht mehr einfach nach Hause, nachdem die Uhren das Ende des letzten Arbeitstages der Woche verkündet hatten.
Nein, man „machte Party“. Einige kamen nur auf einen Drink vorbei, die meisten Gäste jedoch betäubten sich mit dröhnender Musik, Alkohol und Gesprächen, die eigentlich keine waren, weil man bei der Geräuschkulisse kaum sein eigenes Wort verstand.
Jens Schneider schätzte diese Partys eigentlich nicht besonders, aber er hatte rasch erkannt, dass es manchmal besser war, mit den Wölfen zu heulen, um nicht zum Außenseiter abgestempelt zu werden.
Das konnte er sich nicht leisten, noch nicht, denn bisher war er zwar als Roberts Nachfolger vorgesehen, aber eine feste Zusage gab es nicht. Also war er immer noch einer von vielen Angestellten des Paul Cornelius, was nichts anderes bedeutete, als dass er sich dort einzureihen hatte. Sich zu diesem Zeitpunkt bereits über jene zu stellen, die zurzeit noch seine Kollegen waren, konnte fatal enden, wusste er.
Vor allem aber hatte Robert ihn in einem ungewöhnlich offenen Gespräch davor gewarnt, mit der Tochter des Chefs zu schlafen. Sie waren auf der Autobahn zwischen Rostock und Lübeck unterwegs gewesen und hatten unter anderem auch über Jens´ Zukunft in der Firma von Paul Cornelius gesprochen, als Robert plötzlich sagte:
„… und etwas möchte ich dir ganz besonders ans Herz legen, Jens. Geh nicht mit der Tochter vom Chef ins Bett.
Du kannst mit der gesamten Mädchenriege aus der Telefonzentrale und dem Schreibzimmer schlafen, aber auf keinen Fall mit Kitty Cornelius. Diese Frau klammert, schlimmer noch, sie ist eine Würgeschlange und würde dich nicht mehr loslassen. Ehe du es dich versiehst, hast du zwei Kinder und ein tolles Einfamilienhaus in der Elsässer Straße und fragst dich, wie du eigentlich dahin gekommen bist. Und ich glaube nicht, dass du dir so die besten Jahre deines Lebens vorstellst.“
Nein, versicherte Jens ihm daraufhin glaubhaft, so stelle er sich allerdings nicht seine Zukunft vor. Er wollte Karriere machen, denn er war einer jener jungen, dynamischen und windschnittigen Männer von Anfang Dreißig, die in einem Unternehmen ganz nach oben strebten. Das ermöglichte ihm gänzlich unverhofft Robert Debus, indem er sich selbst aus der Firma zurückzog.
Jens hatte Architektur studiert. Sein Start ins Berufsleben war zäh und nicht allzu viel versprechend gewesen. Irgendwann war er in der Firma von Paul Cornelius gelandet, arbeitete dort seit zwei Jahren,
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