Liebeslist und Leidenschaft
was spielte das für eine Rolle? Mit der DVD hielt Nate alle Trümpfe in der Hand. Sie hatte sich ihm hingegeben, und das nutzte er jetzt kaltherzig aus. Ihre Familie würde am Boden zerstört sein, wenn sie davon erfuhr.
Ja, ihre Familie! Nur durch den blöden Streit – und Nicoles impulsives Trotzverhalten – war es zu dieser Katastrophe gekommen. Nein, ihr Vater durfte davon nichts erfahren!
„Also, Nicole, wie entscheidest du dich?“
Herausfordernd blickte Nate sie an. Wie er so dastand, mit nackten Oberkörper, fand sie ihn immer noch verführerisch und attraktiv, trotz seines miesen Verhaltens. Was sagte das über sie aus? Sie wollte lieber gar nicht darüber nachdenken.
Nein, ihr Vater durfte die verräterische DVD nie zu Gesicht bekommen. Nicole hatte keine Wahl. Sie musste Nate nachgeben.
„Na gut, du hast gewonnen.“
„Siehst du. So schwierig war das doch gar nicht.“
Sie funkelte ihn zornig an. „Das kannst du wohl kaum beurteilen.“
So konnte sie wenigstens das Schlimmste verhindern – dass ihr Vater das Sexvideo sah. Sie durfte gar nicht daran denken, dass sie es gewesen war, die diesen verdammten Camcorder überhaupt hervorgeholt hatte.
Na schön, diese Runde hat Nate Hunter Jackson gewonnen, dachte sie, aber noch ist nicht aller Tage Abend. Warte nur ab.
„Jetzt schmoll nicht so, Nicole“, sagte Nate aufmunternd. „Ich werde deine Arbeit wenigstens zu schätzen wissen.“
Als ob das für sie eine Rolle spielte! „Ich muss nach Hause fahren“, kündigte sie mit tonloser Stimme an. „Mein Auto und Sachen zum Anziehen holen.“
„Das wird nicht nötig sein.“
„Wird es doch. Ich kann doch nicht ewig in diesem Kostüm herumlaufen.“
„Wenn du es nicht trägst, gefällst du mir sogar noch besser.“
„Du glaubst gar nicht, wie egal mir das ist“, gab sie barsch zurück. So schnell würde er sie nicht noch einmal nackt sehen, das war ja wohl klar! „Ich brauche meine Sachen – mein Auto, den Akku für mein Handy, alles Mögliche. Und ich muss meinem Vater und meinem Bruder mitteilen, dass ich nicht mehr für sie arbeite.“
„Dein Auto lasse ich abholen. Klamotten kann man neu kaufen. Und deinen Vater und deinen Bruder werde ich informieren. Für dich wäre das peinlich und unangenehm, aber ich habe sogar Spaß daran. Gib mir fünf Minuten, dann dusche ich schnell und ziehe mich an. Frühstücken können wir in der Stadt, bevor wir dir was zum Anziehen kaufen.“
Er wandte sich um und ging in Richtung Badezimmer.
„Mir ist sowieso der Appetit vergangen“, erklärte sie.
Er wandte sich lächelnd um. „Keinen Hunger? Wie schade. Dann muss ich wohl für uns beide essen, was?“
Merkwürdigerweise – und durchaus gegen ihren Willen – fand sie sein Lächeln immer noch anziehend. Trotz allem, was er ihr angetan hatte!
„Hoffentlich erstickst du dran“, stieß sie hervor. „Ich kriege jedenfalls nichts runter.“
Sie wandte sich ab und ging zur Fensterfront. In ihrer Verfassung enttäuschte sie sogar der Ausblick. Das Meer lag nämlich ruhig und friedlich da, während es in ihrem Inneren brodelte.
Der Sohn des Erzfeindes ihres Vaters – und für diesen Menschen würde sie arbeiten! Das würde ihr Vater ihr nie verzeihen. Nie. Andererseits – konnte ihr das nicht egal sein? Schließlich hatte er doch ihren jahrelangen engagierten Einsatz für null und nichtig erklärt – ihr Studium, die vielen Überstunden, die sie klaglos geleistet hatte. Er hatte nie verstanden, wie wichtig das Familienunternehmen für sie war – weil er nie begriffen hatte, wie wichtig er ihr war.
Schon sehr früh hatte sie erkannt, dass das Unternehmen für ihren Vater alles bedeutete. Tag und Nacht kümmerte er sich darum. Sie hatte es ihm nachgetan, in der Hoffnung, dadurch seinen Respekt zu erringen. Und trotzdem glaubte er allen Ernstes, es wäre für sie nur eine Art Zeitvertreib gewesen. Eine Ablenkung, bis sie sich anderen Dingen zuwandte – Ehe und Kindern.
Verärgert ballte sie die Hände zu Fäusten. Wenn sie jetzt wieder Wut auf ihren Vater entwickelte, würde es ihr leichter fallen, Wilson Wines zu verlassen – doch im tiefsten Inneren ihres Herzens wusste sie, dass der Zorn auch wieder verrauchen würde. Sie liebte ihren Vater und wusste, dass auch er sie auf seine Art liebte, auch wenn ihr Verhältnis im Moment wirklich nicht das Beste war. Aber noch war es nicht zu spät, alles wieder auszubügeln. Trotz allem – irgendwie und irgendwann würde man
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