Liebeslist und Leidenschaft
sich wieder versöhnen.
„Na, bist du so weit?“
Sie wandte sich um. Nate stand da, fix und fertig angezogen, in einem eleganten dunkelgrauen Anzug. Er wirkte jetzt so ganz anders als der Mann, der ihr übers verlängerte Wochenende so viele Stunden der Lust beschert hatte. Ganz anders – und dennoch genauso verführerisch. Schnell verwarf sie diesen Gedanken.
„Blöde Frage. Ich habe doch nur auf dich gewartet.“
„Dann lass uns fahren.“
Die Fahrt in die Stadt dauerte eine gefühlte Ewigkeit. Nicole checkte ihr Handy und stellte verärgert fest, dass sie in dieser Gegend keinen Empfang hatte. Immer wieder versuchte sie es, bis es auf einer höher gelegenen Stelle schließlich klappte. Beim Blick aufs Display sah sie, dass sie sechs Anrufe verpasst hatte. Auf ihrer Mailbox waren sieben Nachrichten, und die vielen SMS konnte sie kaum zählen. Doch bevor sie etwas davon abrufen konnte, versagte der Akku. Hätte sie ihn doch nur rechtzeitig aufgeladen!
„So ein Mist!“, schimpfte sie vor sich hin.
„Stimmt was nicht?“, fragte Nate seelenruhig.
„Mein Handy hat seinen Geist aufgegeben.“
„Kein Problem, ich kaufe dir ein neues. Das ist sowieso besser, ganz von vorn anzufangen.“
„Aber mir gefällt mein altes“, protestierte sie. „Da ist alles gespeichert, was ich brauche.“
„Alles, was du für dein altes Leben gebraucht hast“, korrigierte er sie. „Für dein neues Leben ist es überflüssig. Dafür musst du jede Menge neue Nummern speichern. Davon abgesehen, ist es doch wahrscheinlich ein Firmenhandy – und für diese Firma arbeitest du nicht mehr. Schon vergessen?“
Während er den Wagen mit einer Hand steuerte, nahm er ihr mit der anderen das Handy weg.
„Das ist sowieso schon ziemlich veraltet“, stellte er nach einem flüchtigen Blick auf das Gerät fest. „Ich kaufe dir eins, das auf dem neuesten Stand ist und besseren Empfang hat. Du sollst schließlich auch in meinem Haus erreichbar sein.“
Mit diesen Worten ließ er die Scheibe herunter und warf das Handy einfach aus dem Fenster.
„Bist du verrückt geworden?“, rief Nicole, aber es war schon zu spät. Hilflos musste sie mit ansehen, wie ein entgegenkommender Lastwagen darüberfuhr.
„Wie kannst du es wagen …? Das war meins.“
„Wie gesagt, du bekommst ein neues. Das hat doch sowieso nichts mehr getaugt.“
Nur mit Mühe konnte sie die Tränen zurückhalten. Das war ja der reinste Albtraum! Musste er denn alles bestimmen? Vielleicht hätte ich mich doch nicht erpressen lassen dürfen, dachte sie. Vielleicht hätte ich es doch darauf anlegen sollen, dass er meinem Vater die DVD schickt. Obwohl – nein, das hätte ich nicht verantworten können. In den vergangenen Jahren war es mit ihrem Vater gesundheitlich bergab gegangen. Zu lange hatte er seinen Diabetes ignoriert, und die Spätfolgen zeigten sich allmählich überdeutlich. Er war jetzt sechsundsechzig Jahre alt, wirkte aber wesentlich älter. Und jede Aufregung konnte seinen Gesundheitszustand verschlechtern.
Sie würde Nates Spiel mitspielen müssen. Egal was es sie kostete.
„Aber wehe, das Ersatzhandy ist nicht das allerbeste“, drohte sie.
„Keine Sorge. Für dich immer nur das Allerbeste. Versprochen.“
„Hoffentlich kannst du das Versprechen auch halten.“
Er blickte kurz zu ihr hinüber. „Ich stehe immer zu meinem Wort.“
„Das wird sich zeigen“, murmelte sie vor sich hin.
Seine Aussage hatte sich nicht wie ein Versprechen, sondern eher wie eine Drohung angehört. Ihr wurde eiskalt.
Es war inzwischen die dritte Boutique, die Nate mit Nicole aufsuchte. Sie hatte darauf bestanden, sich noch vor dem Frühstück komplett neu einzukleiden, und er hatte mittlerweile großen Hunger – aber nicht auf ein Sandwich. Er hatte Hunger auf sie. Er wollte ihre Haut spüren, ihre Lippen auf seinen fühlen.
Am liebsten hätte er den Arbeitstag abgeblasen und wäre mit ihr ins Haus zurückgekehrt, um noch einen weiteren Tag mit ihr im Bett zu verbringen. Doch zwei Dinge sprachen dagegen.
Da war zunächst einmal das Büro. Jackson Importers war das Vermächtnis seines Vaters, und als Nate die Führung übernommen hatte, hatte er sich geschworen, all seine Energie in das Unternehmen zu stecken, um es noch erfolgreicher zu machen, als es ohnehin schon war. Bereitwillig machte er Überstunden und arbeitete auch am Wochenende. Einmal, als ihn eine üble Magen-Darm-Grippe erwischt hatte, hatte er von zu Hause aus weitergearbeitet. Die Leute
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