Liebeslist und Leidenschaft
Film ihrer Liebesnacht, der dort abgespielt wurde. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Sie würde sich nie verzeihen können, dass sie die dumme Idee gehabt hatte, sie könnten sich im Bett filmen. Das hatte sie nun davon!
Sie konnte nicht länger hinsehen. Leise schlich sie sich zurück ins Schlafzimmer, warf sich aufs Bett und weinte.
Nate saß allein in der Dunkelheit und konnte die Augen nicht vom Bildschirm lassen. Die Frau, mit der er dort die wildesten Dinge trieb, war nur wenige Meter von ihm entfernt. Im Schlafzimmer.
Zweimal hatte er ihr jetzt mit der DVD gedroht. Beim ersten Mal war es ihm mit der Drohung ernst gewesen. Und beim zweiten Mal? Na ja, zuerst auch – bis jetzt. Bis er sich den Film noch einmal angesehen hatte und ihm klar geworden war, dass er ihn nie gegen sie verwenden konnte.
Er wollte sich immer noch an Charles Wilson rechnen. Aber nicht auf Kosten von Nicole. Ihre Worte hatten ihn tief getroffen. Verstandesmäßig musste er ihr recht geben, aber gefühlsmäßig war er immer noch der wild entschlossene kleine Junge, der dem geliebten Vater seinen Seelenfrieden zurückgeben wollte.
Ihm war schon früh klar gewesen, dass die Beziehung seiner Eltern irgendwie … anders war. Anders als bei den Eltern seiner Schulfreunde. Deborah Hunter und Thomas Jackson hatten nie geheiratet, nicht einmal zusammengelebt. Was sie verband, war die Erziehung ihres gemeinsamen Sohnes. Einmal, als er noch klein gewesen war, hatte Nate seine Mutter gefragt, warum sein Daddy nicht bei ihnen wohnte. Ihren traurigen Blick als Reaktion auf diese Frage hatte er nie vergessen können. Sie hatte geantwortet, Thomas sei eben nicht wie andere Daddys, und Nate hatte nie nachgebohrt. So traurig hatte er seine Mutter nie wieder sehen wollen.
Erst viel später hatte er erfahren, in welcher Hinsicht sein Vater anders war, und das hatte seine Rachegelüste gegen Charles Wilson nur noch befeuert. Thomas Jackson war homosexuell. Damals – und in diesem Umfeld – war das noch nichts gewesen, zu dem man sich freimütig bekannt hätte. Thomas Jackson fürchtete, und das wohl nicht ganz zu Unrecht, die Enthüllung würde ihn Freunde kosten und seinen Geschäften schaden.
Nate verdankte seine Existenz dem krampfhaften Versuch seines Vaters, seine Neigung zu verleugnen. Das hatte Thomas ihm gestanden, als er ihn zum letzten Mal vor seinem Tod in Europa besucht hatte. Er hatte Deborah Hunter kennengelernt und – gewissermaßen um seine Homosexualität zu „heilen“ – eine Affäre mit ihr begonnen. Die Beziehung hielt nicht lange, aber das Resultat war Nate. Thomas und Deborah blieben bis zu ihrem Tod gute Freunde. Nate zweifelte nicht daran, dass seine Mutter Thomas geliebt hatte, und dass sein Vater sie auch geliebt hatte. Nur eben nicht so, wie seine Mutter es sich gewünscht hätte.
Nach dieser Enthüllung war Nate vieles klar geworden. Vor allem wusste er nun, dass sein Vater nie die Affäre mit Cynthia Masters-Wilson gehabt haben konnte, wie Charles Wilson behauptet hatte. Wären sein Vater und Charles wirklich so enge Freunde gewesen, dann hätte Charles eigentlich etwas ahnen, spüren müssen. Aber obendrein war der Mann altmodisch und stockkonservativ, deshalb hatte Nates Vater ihm wahrscheinlich nie seine Homosexualität anvertraut. Zu groß war die Angst gewesen, den vermeintlich besten Freund zu verlieren. Dass er ihn dann doch verloren hatte, wenn auch aus anderen Gründen, war die bittere Ironie der Geschichte. Fest stand: Charles hätte Thomas vertrauen müssen, und der Verlust dieses Vertrauens hatte seinen Vater fertiggemacht.
Ja, Nicole hatte natürlich recht gehabt, als sie meinte, man könne die Vergangenheit nicht verändern. Trotzdem, der kleine Junge in Nate hatte viel durchmachen müssen – und dafür sollte Charles Wilson bezahlen. Nicole hingegen hatte schon genug gelitten, weil sie ihr Zuhause, Freunde und Familie verlassen hatte.
Nate griff nach der Fernbedienung und schaltete das Gerät aus. Nein, er würde die DVD nicht gegen Nicole einsetzen. Was darauf zu sehen war, gehörte nur ihm und ihr. Aber wenn er ihr das sagte – würde sie ihn dann nicht Knall auf Fall verlassen? Das wollte er auf keinen Fall.
Er brauchte sie ja noch für seinen Kampf gegen Wilson Wines, aber das war nicht der einzige Grund. Nicht einmal der entscheidende Punkt. Er wollte sie für sich.
Es war mehr als Begehren, was er für sie verspürte, es war mehr. Etwas, das er nicht in Worte fassen konnte.
Und das
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