Liebeslist und Leidenschaft
Freundin davonfahren. Ob ich wirklich alles richtig gemacht habe? fragte sie sich. Wilson Wines war mein Zuhause, und ich habe es aufgegeben. Vielleicht hätte ich mich sogar mit meinem Bruder zusammenraufen können, vielleicht hätten wir gemeinsam Großes für die Firma erreicht. Stattdessen arbeite ich jetzt für die Konkurrenz – und perverserweise macht es mir sogar Spaß. Das ist doch nicht in Ordnung!
Nein, irgendwie musste sie den angerichteten Schaden wiedergutmachen. Vor allem weil sie Judd und Anna einige der kontaktierten Winzer abspenstig gemacht hatte.
Während der Fahrt zurück ins Büro entwickelte sie einen Plan, wie sie weiterhin für Nate arbeiten und trotzdem ihre Loyalität zu Wilson Wines unter Beweis stellen konnte. Nate gegenüber war das zwar nicht ganz fair, aber war er fair zu ihr gewesen? Außerdem hatte er ja nicht von ihr verlangt, eine Vertraulichkeitsvereinbarung zu unterschreiben. Wenn sie also einige Firmeninterna weitergab, konnte sie Wilson Wines damit helfen. Natürlich durften es nicht zu viele Informationen sein, damit sie nicht in Verdacht geriet. Nur so viele, wie Wilson unter Umständen auch aus anderen Quellen hätte erfahren können.
Natürlich würde sie damit dem Team bei Jackson Importers in den Rücken fallen, und das verursachte ihr ein schlechtes Gewissen. Aber ihr Vater würde sie wieder in einem anderen Licht sehen, würde erkennen, wie wertvoll sie für ihn war. Oder?
Als Nate am Montagmorgen aus der Besprechung mit seinem IT-Experten kam, wusste er nicht, ob er wütend auf Nicole sein oder ihre Unverfrorenheit bewundern sollte. Am Wochenende, während er dachte, sie würde in ihrem Gästezimmer schmollen, hatte sie heimlich Informationen an Anna Garrick von Wilson Wines gemailt. Insgeheim beglückwünschte er sich zu seiner Vorsicht. Er hatte nämlich auf Nicoles neuem Laptop eine Spionagesoftware installieren lassen, und so war es für seine IT-Experten ein Leichtes gewesen, den Inhalt ihrer Mails zu rekonstruieren. Immerhin wusste er jetzt, dass sie ein falsches Spiel spielte.
Aber warum nur? fragte er sich. Als sie die neuen Winzer für uns gewonnen hat, war sie doch geradezu stolz darauf. Andererseits hatten wir natürlich später diese blöde Diskussion über ihren Vater, die wieder alles kaputt gemacht hat.
Seitdem war ihr Verhältnis wieder frostig geworden. Im Büro sprachen sie nur das Nötigste, und selbst in seinem Haus in Karekare war sie wieder in ein Gästezimmer gezogen. Er konnte das einfach nicht verstehen. Sie fühlt sich doch genauso stark zu mir hingezogen wie ich mich zu ihr, dachte er. Das weiß ich ganz genau. Ich merke es doch, wenn wir uns zufällig berühren. Ihr sehnsüchtiger Blick spricht Bände.
Es ging ja nicht nur ums Körperliche. Er tat alles Menschenmögliche, um sie zufriedenzustellen. Beruflich gab er ihr alle Möglichkeiten, verschaffte ihr das Gefühl, gebraucht und geschätzt zu werden. Und doch war das offenbar nicht genug. Warum war sie denn nicht glücklich? Ihr schien es ungeheuer wichtig zu sein, ihren Vater zufriedenzustellen. Dafür zu sorgen, dass er stolz auf sie war. Sogar um den Preis, dass sie dafür ihre Position bei Jackson Importers aufs Spiel setzte.
Was sie bisher an internen Informationen übermittelt hatte, war zum Glück nicht so wichtig; es würde seiner Firma nicht wirklich schaden. Aber sie musste damit aufhören. In seinem Interesse, im Interesse des Unternehmens – und auch in ihrem eigenen Interesse. Denn eines wusste Nate über Charles Wilson ganz genau: dass er ein störrischer Mistkerl war, der niemals vergab. Seinem besten Freund nicht und auch seiner Tochter nicht. Auch mit Firmengeheimnissen konnte Nicole sich nicht in das Herz ihres Vaters zurückschleichen. Sie würde sich damit nur alle Chancen bei Jackson Importers verbauen. Und das wollte er nicht zulassen.
Er riss die Tür zu seinem Büro auf und registrierte befriedigt, dass Nicole schuldbewusst zusammenzuckte.
„Ich … ich dachte, du hättest eine Besprechung“, stammelte sie.
Regen schlug gegen das Fenster, der Wind tobte. Das Wetter passte zu seiner Stimmung.
„Die Besprechung ist schon vorbei“, gab er schroff zurück. „Sie war übrigens sehr aufschlussreich. Ich habe erfahren, dass in unserem Team ein Maulwurf sitzt, der Informationen über unsere neuesten Strategien an Wilson Wines weitergeleitet hat. Du hast nicht zufällig eine Ahnung, wer das sein könnte?“
Sie wurde blass.
„Wie ist das denn
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