Liebeslist und Leidenschaft
Firmenleitung befand, rief sie entsetzt: „He, Sie können da nicht einfach hoch!“
„Wie Sie sehen, geht es doch“, rief er ihr lächelnd zu.
Oben angekommen, begegnete er einer Frau, die er als Anna Garrick erkannte. Er hatte ihr Foto in dem Report gesehen, den Raoul für ihn über die Firma erstellt hatte.
„Mr Hunter?“, fragte sie verblüfft.
„Wo ist Wilson? Ich muss ihn unbedingt sprechen.“
„Mr Wilson liegt immer noch im Krankenhaus. Nur enge Familienangehörige dürfen ihn besuchen.“
„Nein“, entgegnete er verärgert, „nicht Charles Wilson. Ich habe mit Judd Wilson etwas zu besprechen. Und zwar sofort.“
„Ach so. Bitte setzen Sie sich einen Moment. Ich frage kurz nach, ob er Sie empfangen möchte.“
„Ich setze mich nirgendwohin. Führen Sie mich einfach zu ihm. Es ist sehr wichtig.“
„Fragt sich nur, wichtig für wen“, ertönte plötzlich eine Männerstimme. „Ist schon in Ordnung, Anna, er soll in mein Büro kommen.“
Judd Wilson und Anna tauschten Blicke aus, die Nate verrieten, dass die beiden sehr vertraut miteinander waren.
Ohne sich vorzustellen oder mit Höflichkeiten aufzuhalten, fragte er: „Wo ist Nicole?“
„Kommen Sie doch erst mal mit in mein Büro. Dann können wir uns in Ruhe unterhalten.“
Nate sah ein, dass er sich hier auf fremdem Terrain befand und nicht den Ton angeben sollte. Also folgte er Judd Wilson und ließ sich dann im Besuchersessel gegenüber dem Schreibtisch nieder. Interessiert blickte er sich im Büro um. Wo in seiner Firma alles hochmodern und auf dem neuesten Stand war, wirkte die Einrichtung hier … nun, nicht unbedingt altmodisch, aber bodenständig und solide. Sie zeugte von Tradition und schien auszusagen: „Uns gibt es schon lange, und so soll es auch bleiben.“
Er spürte so etwas wie Neid. Eigentlich hätte die Hälfte von all dem hier seinem Vater gehören sollen. Aber er wollte keine alten Wunden aufreißen, dafür war die Zeit zu kostbar. Schließlich ging es hier und jetzt um etwas sehr viel Wichtigeres – um Nicole.
„So, jetzt dürfen Sie mir gerne Ihr Anliegen vortragen“, sagte Judd betont gönnerhaft und blickte Nate gleichzeitig streng an.
„Nicole ist weg. Ich muss wissen, wo sie ist, damit ich sie zurückholen kann.“
„Meine Schwester ist eine erwachsene Frau, Hunter. Wenn Sie sie nicht erreichen können, will sie das wahrscheinlich auch nicht.“
„Ja … nein“, stammelte Nate. „Sie ist momentan durcheinander, weil sie unter schrecklichem Druck stand. Deshalb handelt sie so unüberlegt.“ Für die Frau, die er über alles liebte, schluckte er sogar seinen Stolz herunter und fügte fast flehentlich hinzu: „Bitte, Sie müssen mir helfen.“
„Ich muss gar nichts. Vor allem nicht unter den gegebenen Umständen. Sie hat uns verlassen, um mit Ihnen zusammenzuarbeiten oder zusammen zu sein, was weiß ich. Jetzt hat sie Sie verlassen. Warum sollten wir ausgerechnet Ihnen helfen, sie zurückzubekommen?“
„Ich glaube, sie ist mit ihrer Mutter nach Adelaide geflogen.“
Judd lehnte sich verblüfft in seinem Schreibtischsessel zurück.
„Nein, das kann nicht sein“, kam plötzlich Anna Garricks Stimme von der Tür.
„Warum nicht?“, fragte Nate verwirrt. Nicoles Nachricht auf seiner Mailbox war doch eindeutig gewesen.
„Ohne ihren Pass geht das nicht. Und der liegt hier bei uns, im Bürosafe.“
Nate sackte in sich zusammen. Jetzt hatte er wirklich keine Ahnung mehr, wo Nicole stecken konnte. Da konnte er ebenso gut nach einer Nadel im Heuhaufen suchen. Und eigentlich hatte er auch kein Recht, ihr hinterherzuschnüffeln. Sie hatte ihn aus freien Stücken verlassen. Sie hatte Schluss gemacht.
„Dann … dann vielen Dank für Ihre Hilfe“, erklärte er mit gesenkten Kopf, stand auf und ging zur Tür.
„Hunter, mich würde noch interessieren, warum Sie sie unbedingt finden wollen“, sagte Judd plötzlich.
„Weil ich sie liebe. Es war der größte Fehler meines Lebens, sie gehen zu lassen.“
12. KAPITEL
Die überraschten Gesichter von Judd und Anna waren unbezahlbar gewesen. Aber auch das bot Nate in den folgenden Tagen keinen Trost. Am Freitagabend war er mit den Nerven am Ende, konnte sich auf nichts konzentrieren, war gereizt und fahrig. So hilflos hatte er sich in seinem ganzen Leben noch nicht gefühlt.
Alles um ihn herum erinnerte ihn an Nicole. Zu Hause waren es ihre Kosmetikartikel und ihre Kleider, im Büro ihr Laptop und auch das Handy, das immer noch in ihrer
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