Liebeslüge, Liebesglück? (Julia) (German Edition)
Ian, dachte sie.
Doch als sie die Blumen in eine Vase gestellt hatte und den kleinen beiliegenden Umschlag öffnete, stand darin: „Vielen Dank für Milch und Kaffee. Ihr dankbarer Nachbar.“
Starr betrachtete Marisa die Karte. Ein Dankeschön, das mindestens dreißig Pfund gekostet hatte? Andererseits wusste sie, seit sie Ian kannte, dass schwerreiche Menschen anders waren. Und wer sich hier ein Apartment leisten konnte, für den waren dreißig Pfund keine große Sache.
Sie betrachtete die Lilien, die einen betörenden Duft verströmten, und wünschte unwillkürlich, sie wären von Ian statt von einem Fremden.
Marisa versuchte, nicht mehr an die Ereignisse vom Vorabend zu denken. Auch wollte sie wegen der geplatzten Verabredung mit Ian nicht enttäuscht und gekränkt sein. Also hatte sie sich mit der Handwäsche abgelenkt und beschloss nun, einen Spaziergang im Holland Park zu machen. Zwar war das Wetter nicht sonderlich einladend, aber frische Luft und Bewegung würden ihr guttun. Ich sollte mir ein Fitnessstudio suchen oder mich zu einem Tanzkurs anmelden, dachte Marisa. So würde sie vielleicht auch Leute kennenlernen und neue Freunde finden.
Darin war sie leider nicht sehr gut. Auch in dem kleinen Dorf in Devon hatten ihre Mutter und sie nie wirklich dazugehört. Dass ihre Mutter sehr introvertiert gewesen war, hatte die Sache natürlich nicht einfacher gemacht. Auch Marisa hatte in der Schule nicht richtig Anschluss gefunden.
Deswegen war es für sie so wunderschön, mit Ian zusammen zu sein. Ein warmes Gefühl der Zuneigung breitete sich in ihr aus. Sie verstanden sich so gut! Sein Charme, sein Humor und seine Lebhaftigkeit gaben ihr Selbstbewusstsein und halfen ihr, aus sich herauszugehen und sich zu entspannen – zum ersten Mal in ihrem Leben.
Wenn er mich doch nur nicht hier verstecken müsste, sondern sich öffentlich zu mir bekennen könnte, dachte sie sehnsüchtig. Aber das war nun einmal nicht möglich, und es hatte keinen Sinn, sich deshalb zu bemitleiden.
Marisa nahm Jacke und Regenmantel und ging hinaus. Sie beschloss, später in einem Café Mittag zu essen und dann einzukaufen. So würde sie etwas Zeit herumbringen.
Lebe ich so jetzt mein Leben? dachte sie schuldbewusst. Indem sie die Zeit irgendwie herumbrachte? Nachdenklich spazierte sie durch den Park in Richtung der Überreste des Holland Houses und der wunderschönen Orangerie.
Es war zwar beruhigend, in einem schönen Apartment zu wohnen und keine Geldsorgen zu haben, aber sie konnte doch ihr Leben nicht auf diese Weise verbringen. Sie sollte sich einen Job suchen. Aber was für einen? Ian hatte darauf bestanden, dass sie den schlechtbezahlten Putzjob aufgab, den sie hatte, als sie sich begegnet waren. Plötzlich kam ihr ein Gedanke. Sie könnte doch einfach den Umstand, dass sie sich ihren Lebensunterhalt nicht zu verdienen brauchte, dafür nutzen, anderen zu helfen. Was für eine ehrenamtliche Tätigkeit das sein sollte, wusste sie noch nicht, aber sie könnte doch für den Anfang in einem der vielen Charity Shops aushelfen.
Schlagartig besserte sich Marisas Laune. Sie beschloss, gleich nach dem Mittagessen nach Hause zu gehen und herauszufinden, wo sich die nächsten Charity Shops befanden.
In ihrem Apartment wurde sie von dem exotischen Duft begrüßt, den die Lilien verströmten. Sofort hatte sie wieder das Bild ihres umwerfenden Nachbarn vor Augen …
Als es um sechs Uhr klingelte, zuckte Marisa erschrocken zusammen. Sie hatte sich ganz in ihre Recherche vertieft und viel über die Arbeit von Charity Shops gelesen. Es war gut, daran erinnert zu werden, wie schwer es manche Menschen im Leben hatten. Auch in ihrem Leben hatte es Hürden und schwere Zeiten gegeben, und ihre Mutter fehlte ihr jeden Tag. Doch gegen das Leid vieler anderer Menschen war das alles geradezu harmlos.
Es klingelte. Neugierig und nervös zugleich ging Marisa zur Tür.
„Sind die Blumen angekommen?“
Die tiefe Stimme mit dem markanten Akzent ließ sie genauso heftig erschauern wie am Vorabend. Und der vielsagende Blick aus den dunklen Augen tat sein Übriges.
Marisa atmete tief ein. „Ja, vielen Dank, aber es wäre nicht nötig gewesen“, entgegnete sie ein wenig schroff. Sie wollte nicht unhöflich erscheinen, aber auch nicht vor Rührung über diese übertriebene Geste auf die Knie fallen.
Er wirkte ein wenig irritiert. „Doch“, widersprach er, und ein feines Lächeln umspielte seinen Mund, das nicht ohne Wirkung blieb. „Man sollte
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