Liebeslüge, Liebesglück? (Julia) (German Edition)
reden“, sagte er und trat von einem Fuß auf den anderen, denn seine handgenähten italienischen Schuhe eigneten sich nicht für kalte Abende auf dem Land.
„Ich habe dir nichts zu sagen“, entgegnete Marisa, die noch immer wie unter Schock war.
Als Athan sie ansah, bemerkte sie im dämmrigen Licht seine düstere Miene. „Aber ich habe dir etwas zu sagen“, antwortete er. Sein Gesichtsausdruck änderte sich ein wenig, und er fügte hinzu: „Du siehst ganz durchgefroren aus.“
Ihr stockte der Atem, denn seine Stimme klang besorgt und fürsorglich. Genauso hatte er immer geklungen, wenn er …
Er hat dich von Anfang an belogen, sagte eine innere Stimme und holte sie zurück in die brutale Wirklichkeit. Daran musste Marisa immer denken. Nicht an Athans liebevollen Blick, an das feine Lächeln, das seinen Mund umspielt hatte, an das leidenschaftliche Funkeln seiner dunklen Augen …
Sie verdrängte die schmerzlichen Erinnerungen und stellte fest, dass sie am ganzen Leib zitterte. Athan hatte recht, ihr war wirklich kalt. Ein wenig steif ging sie zur Haustür, schloss auf und ging hinein. Er folgte ihr, und sofort kam ihr das Cottage noch kleiner und beengter vor. Marisa wollte ihn nicht hier haben, sie wollte ihn überhaupt nicht in ihrer Nähe haben.
Du lügst! warf ihr eine innere Stimme vor – und die Stimme hatte recht. Marisa war sehr aufgewühlt und musste all ihre Kraft zusammennehmen, um sich weiterhin so kühl und scheinbar gefühllos zu geben. Denn Athan spielte in ihrem Leben ebenso wenig eine Rolle wie sie in seinem.
Sie würde sich also anhören, was er zu sagen hatte – vermutlich ging es noch einmal darum, dass sie sich von Ian fernzuhalten habe –, und dann würde sie ihn fortschicken. Denn von ihren Gefühlen für ihn war nichts mehr übrig, wie sie sich immer wieder selbst einredete.
Marisa ging in die Küche, wo zu ihrer großen Erleichterung der Kochofen wohlige Wärme verbreitete. Sie zog sich den nassen Anorak aus und hängte ihn über einen der Stühle, die um den gescheuerten Holztisch standen. Dann legte sie Holz nach und setzte Kaffeewasser auf. Es half ihr, dass ihre Hände und ihre Gedanken dadurch eine Weile beschäftigt waren. Dass Athan Teodarkis sich in dem winzigen Cottage mit den Lehmwänden in der Küche an den Tisch gesetzt hatte – in dem Cottage, das für ihre Mutter in ihrem Schmerz ein Zufluchtsort gewesen war –, kam ihr bizarr und absurd vor.
Marisa betrachtete den Mann, der sie mit einer winzigen Berührung und mit einem liebevollen Wort dahinschmelzen lassen konnte. Ja, ein einziger Blick von Athan genügte, und schon wurde ihr schwindelig. Wenn er ihr die Hand in den Nacken legte und sie küsste, konnte er sie an so paradiesische Orte entführen, wie Marisa sie sich nie erträumt hätte … Doch er hatte, bis zu jener bitteren, schmerzlichen Aussprache, nie auch nur ein einziges der Worte ernst gemeint, die er zu ihr gesagt hatte.
Sie atmete tief ein. „Wenn du mir etwas zu sagen hast, sag es mir jetzt, und dann geh.“
Durchdringend sah Athan sie an. Er hatte sich in der Küche umgeblickt und war erschüttert darüber, wie armselig es hier aussah. Kein Wunder, dass die luxuriöse Welt, in der Ian sich bewegte, so eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Marisa ausgeübt hatte. Athan musste sich eingestehen, dass diese Erkenntnis ihn ernüchterte.
Als er sie ansah, war er zwiegespalten. Einerseits registrierte er, wie unvorteilhaft Marisa aussah, andererseits sog er ihren Anblick in sich auf und fand sie einfach wunderschön – ohne Make-up, mit nassem, strähnigem Haar und in diesem scheußlichen Outfit. Bei ihrem Anblick ging sein Puls sofort schneller.
„Also?“, fragte sie.
„Brauchst du Geld?“ So unverblümt, wie seine Frage klang, hatte Athan sie eigentlich nicht stellen wollen. Außerdem hatte er ursprünglich vorgehabt, über etwas ganz anderes mit ihr zu sprechen. Doch beim Anblick ihres armseligen Zuhauses war ihm dieser Gedanke gekommen, und er war mit ihm herausgeplatzt, ohne nachzudenken.
„Was?“, fragte Marisa ungläubig.
Verlegen atmete Athan tief ein und sagte: „Ich habe doch Augen im Kopf und sehe den Kontrast zwischen deinem Cottage und dem Leben, das du in London geführt hast. Wenn du also etwas brauchst, um über die Runden zu kommen, kann ich dir problemlos …“
Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment knallte Marisa den Becher, in den sie gerade Kaffee hatte gießen wollen, auf den Holztisch.
„Nein!
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