Liebeslüge, Liebesglück? (Julia) (German Edition)
das Licht wurde schon schwächer. Marisa wollte wieder im Cottage sein, bevor der Abend heranbrach. Doch nach der letzten Wegbiegung blieb sie wie angewurzelt stehen.
Vor dem Häuschen stand ein Wagen. Einen Moment lang dachte sie, es sei Ian, doch dann merkte sie, dass es ein Wagen einer anderen Marke war, wenn auch genauso elegant und teuer wie Ians. Plötzlich öffnete sich die Fahrertür …
7. KAPITEL
Athan hatte seit seiner Ankunft vor einer halben Stunde im Wagen gewartet und war erst ausgestiegen, als Marisa sich genähert hatte. Seine Gefühle hielt er mit aller Macht unter Kontrolle, schon seit er den Anruf von dem privaten Sicherheitsdienst bekommen hatte, der für ihn arbeitete. Eigentlich hatte er gehofft, dass dieser Anruf nie erfolgen würde. Doch wie ein gieriges Kind, das Süßigkeiten aus dem Bonbonglas klaute, hatte Ian genau das getan, was Athan befürchtet hatte.
Mit eisiger Ruhe hatte er sich Zeit, Route und Ort berichten lassen. Mehr hatte er nicht zu wissen brauchen. Jetzt allerdings musste er noch eine ganze Menge mehr in Erfahrung bringen.
Als Marisa auf ihn zukam, musste er ihr zugestehen, dass sie Mut hatte. Vielleicht verlieh ihr aber auch nur die Anwesenheit ihres Liebhabers Selbstbewusstsein. Ians Wagen war allerdings nirgends zu sehen.
Athans Stimme durchschnitt schroff die kühle Luft. „Wo ist er?“, fragte er kalt.
Abrupt blieb sie stehen. Er registrierte, wie anders sie aussah: Marisa trug eine ausgebeulte Hose, schlammbespritzte Stiefel und einen dicken, unförmigen Anorak, der sehr unvorteilhaft aussah und ihre Figur völlig verhüllte. Das durchnässte Haar hatte sie sich mit einer Spange zusammengefasst. Sie wirkte müde und erschöpft. Doch ihr Gesicht war so wunderschön wie immer. Ihre vor Ärger funkelnden Augen leuchteten, ihr Mund glänzte regennass …
„Weg“, antwortete Marisa ebenso knapp wie er. Sie wusste genau, wen Athan meinte und warum er hier war. Aufgebracht sah sie ihn an, denn es gab nur eine Erklärung dafür, dass Athan Teodarkis von Ians Besuch wusste: Er ließ ihn beschatten.
„Haben deine Schnüffler etwa nicht bemerkt, dass er nach London zurückgefahren ist?“, fragte sie sarkastisch.
Nein, dachte Athan verärgert. Zumindest hatten sie ihn nicht darüber informiert. Er hatte die Sicherheitsmänner angewiesen, diskret zu sein und Abstand zu halten. Aber das alles war nicht relevant. Wichtig war nur: Obwohl Athan Ian eingeschärft hatte, sich von Marisa fernzuhalten, war dieser seiner Geliebten nachgeeilt wie ein Hund einem läufigen Weibchen. Langsam ging er auf Marisa zu.
Sie zuckte zusammen, ohne aber von der Stelle zu weichen. Panik breitete sich in ihr aus, doch sie kämpfte dagegen an und ließ sich nichts anmerken. Dass Athan, groß, mit finsterer Miene und geradezu furchteinflößend, so unerwartet bei ihrem Cottage auftauchte, hatte sie zutiefst erschüttert. Er wirkte hier, in dieser kargen, trostlosen, winternassen Landschaft, völlig fehl am Platze.
Ja, Athan stand vor ihr, so nahe … und vor wenigen Momenten hatte sie noch geglaubt, sie würde ihn niemals wiedersehen! Heftige, intensive Gefühle überrumpelten Marisa, sodass ihr fast schwindelig wurde. Doch sie unterdrückte sie willensstark. Denn er war nur aus einem einzigen Grund hier: weil Ian zu ihr gekommen war. Und nur deshalb war Athan so aufgebracht.
Aber Marisa hatte ein absolut reines Gewissen. „Was du auch immer mit deinem Auftauchen hier bezweckst, du kannst wieder fahren“, fuhr sie ihn scharf an. „Ian ist nicht hier.“
Athan kniff misstrauisch die Augen zusammen – jene Augen, mit denen er sie vor Kurzem noch so voller Leidenschaft angesehen hatte. Jetzt drückten sie nichts als kalte Wut aus.
„Aber er war hier.“
Herausfordernd hob Marisa das Kinn. „Und jetzt ist er weg – und zwar für immer.“
Athan zögerte einen Moment. „Hast du ihm von uns erzählt?“
„Natürlich nicht“, erwiderte sie verächtlich.
Nein, natürlich nicht, dachte er. Sie wollte sicher nicht, dass Ian erfuhr, wie leicht es für Athan gewesen war, Marisa zu verführen und ihm wegzunehmen. Er lächelte grimmig.
Sein Ärger verrauchte langsam. Dahinter steckte nicht nur die Wut auf seinen Schwager, sondern noch ein viel mächtigerer Impuls – der Grund, aus dem Athan überhaupt hergekommen und wie besessen über die Autobahn gejagt war. Ihn trieb etwas an, das er nicht mehr unterdrücken konnte.
Er wies mit dem Kinn auf das Cottage. „Ich muss mit dir
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