Liebeslüge, Liebesglück? (Julia) (German Edition)
Dorfes und der Autobahn nach London – weg aus ihrem Leben. Das Herz tat ihr weh, doch sie wusste, dass sie richtig gehandelt hatte.
Ian hatte sie angefleht, doch sie hatte sich nicht beirren lassen und war standhaft geblieben, so schwer es ihr auch gefallen war. Sie hatte ihm sagen müssen, dass sie nie wieder Teil seines Lebens sein konnte.
Obwohl sie ihn mehrfach eindringlich gebeten hatte, nicht zu kommen, hatte er morgens plötzlich vor ihrer Tür gestanden. Fassungslos darüber, dass sie einfach aus dem Apartment ausgezogen und verschwunden war, hatte er sie immer wieder gebeten, es sich noch einmal zu überlegen und mit ihm zurück nach London zu kommen. Doch das war unmöglich. Athan Teodarkis hatte es unmöglich gemacht. Marisa blieb nur eines: in ihr altes Leben zurückzukehren. Hier konnte sie sich wenigstens vor all dem Schmerz verstecken.
Schließlich war Ian nach dem aufwühlenden, unendlich schmerzlichen Gespräch wieder aufgebrochen. Und in Marisas Innerem brannte das schlechte Gewissen, weil sie ihm nicht die Wahrheit darüber sagen konnte, was sein Schwager ihr angetan hatte.
Als sie Ian nun nachblickte, verspürte sie plötzlich auch eine Art Erleichterung, die im Widerspruch zu dem Abschiedsschmerz stand. Die widerstreitenden Gefühle, die sie erfüllten, schnürten ihr die Kehle zu. Entschlossen ging Marisa wieder hinein, zog sich ein Paar abgetragene Halbstiefel und einen Anorak an und verließ das Cottage durch die Hintertür.
Vom Garten aus führte ein Pfad durch die Felder ins Heidemoor. Am Himmel jagte ein Westwind die Wolken, und gelegentlich fielen ein paar Regentropfen. Doch das alles störte Marisa nicht. Sie war einfach froh, aus dem Haus zu kommen. In ihrer Jugend war sie diesen vertrauten Weg unzählige Male gegangen, manchmal mit ihrer Mutter, häufig aber auch allein. Es hatte ihr immer gutgetan. Irgendwie hatte das oberhalb der Felder gelegene Heidemoor, über dem sich der Himmel spannte, eine wohltuende Wirkung auf sie: Marisa fühlte sich hier immer frei genug, all die Gefühle und Empfindungen herauszulassen, die sie bedrückten.
Jetzt marschierte sie wie schon so oft über das unfruchtbare Land, wo nur Heidekraut und Stechginster wuchsen, spürte den Wind und ging den unebenen, aufwärts führenden Pfad entlang in Richtung des in einiger Entfernung liegenden Granitfelsens, der sich düster vor dem Horizont abzeichnete.
Eine Stunde Fußmarsch dauerte es, bis man ihn erreichte. Sie suchte die vertraute Nische, setzte sich auf eine Felsbank und ließ den Blick über das riesige Moorgebiet gleiten. Sie spürte den Westwind, der über das Land und durch die Felsspalten pfiff, kalt auf ihrem Gesicht. Er brachte Regen mit, doch ihre Wangen waren ohnehin nass von ihren Tränen.
Marisa weinte um ihre Mutter, der Liebe und Glück nicht vergönnt gewesen waren und die ein so eingeschränktes, unerfülltes Leben geführt hatte. Dabei hatte sie sich einst so viel erhofft.
Genau wie ich, dachte Marisa. Doch auch ihre Hoffnungen waren brutal zunichtegemacht worden. Sie hätte wissen müssen, dass sie niemals eine Rolle in Ians Leben spielen könnte, dass man sie nie akzeptieren würde.
Trostlos blickte sie über die karge Landschaft. Ihre Mutter hatte sie vor den Gefahren der Welt gewarnt, von der Marisa geglaubt hatte, sie stünde ihr weit offen. Doch sie hatte ihr nicht geglaubt – sie hatte ihr nicht glauben wollen. Auch ihre Mutter hatte Schmerzliches erlebt, war abgewiesen und fallen gelassen worden. Deshalb hatte sie Zuflucht an diesem einsamen Ort gesucht und ein Leben in Entbehrung und Einsamkeit gewählt. Denn auch die Hoffnungen ihrer Mutter waren brutal und endgültig zerstört worden.
Schon seit einigen Tagen versuchte Marisa zu verstehen, warum Athan ihr das angetan hatte. Sie versuchte die beiden völlig verschiedenen Seiten miteinander in Einklang zu bringen, aus denen seine Persönlichkeit zu bestehen schien. Der Mann, den sie vermeintlich so gut kennengelernt und dem sie ihr Herz anvertraut hatte, war in Wirklichkeit skrupellos und gefühllos.
Ja, sie musste akzeptieren, dass Athan Teodarkis nicht so einfühlsam und liebevoll war, wie sie ihn auf St. Cécile erlebt hatte, sondern grausam und mitleidlos. Ganz egal, welche Träume sie nachts lockten und welche wunderschönen Erinnerungen sie quälten.
Marisa drehte das Gesicht zum Wind und dem stärker werdenden Regen. Das Haar klebte ihr schon nass am Kopf, aber es kümmerte sie nicht. Sie war das Wetter hier
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