Liebesmaerchen in New York
schien, zu tun, was er verlangte. Für Fragen ist später noch Zeit, dachte sie, und sie wusste auch, dass ihr die Antworten nicht leichtfallen würden. Seine Lippen waren kühl, kühl und – geduldig, und unter ihrer Berührung erglühte Hesters Haut, und ihr Puls fing an zu jagen.
Mitch hätte sie gern drängender geküsst, sie mit seinen Küssen zu überzeugen versucht, aber er, der es gewöhnt war, impulsiv zu handeln, erkannte, dass es Situationen gab, in denen es ratsamer war, Schritt für Schritt voranzugehen. Besonders wenn der Preis, den es zu erringen galt, so kostbar war.
Darum löste er sich von ihr. Er wollte geduldig sein und warten. »Damit dürften ein paar Punkte geklärt sein«, meinte er, nahm ihre Hand und drückte sie an seine Brust. »Aber ich glaube trotzdem, dass wir noch miteinander reden müssen. Bald.«
»Ich weiß nicht.« Hester war unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.
»Ich komme zu dir rauf, oder du kannst zu mir runterkommen, aber wir müssen darüber sprechen.«
Sie fühlte sich in die Enge getrieben, wusste jedoch, dass sie sich ihm früher oder später stellen musste. »Nicht heute Abend«, erwiderte sie schnell und verachtete sich für ihre Feigheit. »Red und ich haben noch eine Menge zu tun.«
»Verzögerungstaktik ist eigentlich nicht dein Stil.«
»Dieses Mal doch«, murmelte sie und wandte sich ab. »Radley, wir müssen jetzt zurückgehen«, rief sie ihrem Sohn zu.
»Sieh mal, Mom, ich bin gerade fertig. Ist der nicht toll geworden?« Red trat zurück, um ihr seinen Krieger zu zeigen. »Du hast ja deinen noch nicht einmal angefangen.«
»Ich mache ihn vielleicht morgen fertig.« Sie ging schnell auf ihn zu und nahm ihn bei der Hand. »Wir müssen jetzt Dinner machen.«
»Aber können wir denn nicht …«
»Nein. Es ist schon fast dunkel.«
»Kann Mitch mitkommen?«
»Nein, kann er nicht.« Während sie sprach, warf sie einen Blick über die Schulter zurück. Mitch stand neben Reds Fort und war jetzt kaum mehr als ein Schatten. »Heute nicht.«
Taz jaulte und wollte Mitch hinter Red herziehen. Doch dieser legte ihm die Hand auf den Kopf. »Nichts zu machen, mein Freund, dieses Mal nicht.«
Ich kann ihm nicht dauernd aus dem Weg gehen, dachte Hester, als sie sich – weil ihr Sohn sie darum gebeten hatte – auf den Weg zu Mitchs Wohnung machte. Sie gestand sich sogar ein, dass es unsinnig gewesen wäre, es überhaupt zu versuchen.
Oberflächlich gesehen hätte man denken können, Mitch Dempsey ermögliche die Lösung vieler ihrer Probleme. Er war Red aufrichtig zugetan und sein Freund. Sie war froh, ihm ihren Sohn anvertrauen zu können, während sie bei der Arbeit war.
In Wahrheit aber komplizierte er ihr Leben. Es nützte gar nichts, dass sie sich bemühte, in ihm nichts als Reds Freund oder einen leicht verrückten Nachbarn zu sehen. Er erweckte in ihr Gefühle, die sie seit fast zehn Jahren nicht mehr empfunden hatte. Flatternder Pulsschlag und aufsteigende Leidenschaft, das waren Begriffe, die Hester nur noch mit jungen, mit optimistischen Menschen in Verbindung gebracht hatte. Ihr selbst waren sie fremd geworden, seit Radleys Vater sie verlassen hatte.
In all den Jahren, die darauf gefolgt waren, hatte sie sich nur ihrem Sohn gewidmet. Sie hatte versucht, ihm ein Heim zu schaffen und sein Leben so normal und ausgeglichen wie möglich zu gestalten. War dabei auch Hester, die Frau, auf der Strecke geblieben, so war für sie ihr Erfolg als Mutter ein fairer Ausgleich. Und nun kam dieser Mitch Dempsey einfach daher und weckte lange vergessene Gefühle, schlimmer noch, Wünsche in ihr wieder auf.
Sie atmete tief durch und klopfte an Mitchs Tür. Er ist Reds Freund, sagte sie sich immer wieder, und der einzige Grund, weshalb ich hier bin, ist der, dass Red mir unbedingt etwas zeigen wollte. Ich bin nicht gekommen, um Mitch zu treffen. Doch bei dem Gedanken, er könne ihr wieder mit den Fingerspitzen über die Wange streichen, wurde ihr ganz warm.
Sie verschränkte die Hände und konzentrierte sich auf Radley. Sie wollte sich ansehen, was immer er ihr zu zeigen hatte, und ihn dann gleich mit nach oben nehmen.
Mitch öffnete die Tür. Er trug ein Sweatshirt, auf dem ein mit Zark konkurrierender Superheld abgebildet war, und dazu eine Jogginghose, in deren Knie ein großes Loch war. Über die Schultern hatte er ein Handtuch geschlungen, mit dessen einem Ende er sich das Gesicht abtrocknete.
»Bist du etwa bei diesem Wetter gelaufen?«, fragte sie und
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