Liebesnacht mit einem Mörder
angeschlossen.« Er geleitete sie einen ruhigen, weißen Korridor hinunter. An den Wänden hingen weiche, verträumte Aquarelle in schmalen, goldenen Rahmen, und Sträuße frischer Blumen in durchsichtigen Vasen erfüllten die Luft mit einem süßen Duft. »Jeder Bewerber und jede Bewerberin wird mit Hilfe dieses Systems auf seine früheren Beziehungen, seine Kreditwürdigkeit und natürlich auch auf eine mögliche kriminelle Vergangenheit hin überprüft. Besteht bei einem Menschen ein Hang zur Gewalt, lehnen wir ihn ab. Sexuelle Vorlieben und Wünsche werden aufgenommen, gründlich analysiert und mit den Vorlieben und Wünschen anderer Klienten abgestimmt.«
Er öffnete die Tür zu einem riesigen, in blendend hellem Weiß und grellem Rot gehaltenen Büro. Die lange Fensterfront wies einen Filter gegen den Lärm des Flugverkehrs und gegen das Licht der Sonne auf.
»Wie hoch ist der Prozentsatz von Bewerbern mit abartigen Neigungen?«
Piper presste ihre Lippen aufeinander. »Solange der Partner oder die Partner nichts gegen eine bestimmte Praxis haben, betrachten wir die diversen sexuellen Vorlieben der Menschen als normal.«
Eve zog die Brauen in die Höhe. »Warum bleiben wir nicht bei meiner Definition? Ich meine Dinge wie Fesseln, Sado-Maso oder den Partner nach dem Sex zu schminken?«
Rudy räusperte sich leise, trat hinter eine breite weiße Konsole und drückte einen Knopf. »Natürlich gibt es Kandidaten, die auf der Suche nach abenteuerlichen sexuellen Erfahrungen sind. Doch wie gesagt, wir bringen ausschließlich Menschen zusammen, deren Wünsche auf diesem Gebiet sehr ähnlich sind.«
»Wen haben Sie mit Marianna Hawley zusammengebracht?«
»Marianna Hawley?« Rudy wandte sich an Piper.
»Ich kann mich besser an Gesichter als an Namen erinnern.« Sie betrachtete den Bildschirm, während Rudy den Namen in den Computer eingab, und wenige Sekunden später sahen sie alle in Mariannas lächelndes Gesicht.
»O ja, jetzt kann ich mich erinnern. Sie war sehr charmant. Ja, die Arbeit mit ihr hat wirklich Spaß gemacht. Sie war auf der Suche nach einem soliden Begleiter, jemand Unterhaltsamem, mit dem sie ins Museum – nein, nein, ich glaube, ins Theater – gehen kann.« Sie klopfte mit einem perfekt geformten Nagel gegen ihre Unterlippe. »Sie war eine romantische, auf süße Weise altmodische Person.«
Plötzlich schien sie zu begreifen, und ihre Hand sank schlaff zur Seite. »Sie wurde ermordet? Oh, Rudy.«
»Setz dich, meine Liebe.« Eilig kam er um die Konsole, tätschelte ihr die Hand und führte sie zu einem langen Sofa mit bequemen, luftgefüllten Kissen. »Piper hat stets eine sehr persönliche Beziehung zu unseren Klienten«, erklärte er Eve. »Das ist der Grund, weshalb sie ihre Arbeit so phantastisch macht. Sie hat echtes Interesse an den Menschen.«
»Das habe ich auch.«
Obwohl Eves Stimme total emotionslos klang, nickte Rudy, während er sie musterte, zustimmend. »Ja, ich bin mir sicher, dass Sie das haben. Sie vermuten, dass sie von jemandem ermordet worden ist, der sich unserer Agentur bedient, den sie vielleicht über uns kennen gelernt hat.«
»Ich stehe noch am Anfang meiner Ermittlungen. Und ich brauche Namen.«
»Gib ihr alles, was sie braucht, Rudy.« Piper klopfte mit den Fingerspitzen die Tränen unter ihren Augen fort.
»Das würde ich gern tun, aber wir haben unseren Klienten gegenüber eine gewisse Verantwortung, und der Schutz ihrer Privatsphäre ist ihnen ausdrücklich garantiert.«
»Marianna Hawley hatte darauf ebenfalls ein Anrecht«, erklärte Eve ihm barsch. »Trotzdem wurde sie grausam vergewaltigt und anschließend erwürgt. Der Täter war eindeutig nicht auf den Schutz ihrer Privatsphäre bedacht, und ich bin mir sicher, dass ihre anderen Kundinnen nicht gerade versessen darauf sind, die gleiche Erfahrung zu machen wie diese arme Frau.«
Rudy atmete tief durch. Wenn möglich, war er tatsächlich noch bleicher als zuvor, und seine grünen Augen hoben sich wie zwei brennende Punkte von der leuchtend weißen Fläche ab. »Ich vertraue auf Ihre Diskretion.«
»Sie können darauf vertrauen, dass ich meine Arbeit gut und gründlich mache«, antwortete Eve und wartete ungeduldig darauf, dass er die Liste der Marianna Hawley vermittelten Partner endlich abrief.
4
S arabeth Greenbalm hatte keinen guten Tag. Sie hasste es, die Nachmittagsschicht im Sweet Spot zu haben. Die kleinen Angestellten, aus denen die Kundschaft zwischen zwölf und fünf Uhr hauptsächlich
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