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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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brachte ihn mit ins Krankenhaus.
    »Fünftausend Rubelchen«, sagte er nachdenklich zu Semjonow. »Das ist für einen Sibiriaken ein Vermögen, das er nie im Leben durch ehrliche Arbeit verdienen kann. Man wird jetzt vorsichtig sein müssen. Zu viele wissen schon, daß du im Dorf bist. Borja, das Rindvieh, hat allen erzählt, daß es Frauen gäbe, deren Körper weiß wie frischer Käse sei. Bei fünftausend Rubel Belohnung ist dem besten Freund nicht mehr zu trauen.«
    Freundschaft gab es in Nowo Bulinskij, das muß man sagen. Solange Semjonow und Ludmilla im Krankenhaus wohnten, kamen jeden Tag die drei deutschen Verbannten zu Besuch, brachten etwas zu essen und zu lesen mit, erzählten von ihrem Leben in Sibirien und dachten gemeinsam an die ferne Heimat, aber – das erkannte Semjonow gleich in den ersten Tagen – ohne Wehmut oder den – im Sprachgebrauch der Politiker so beliebten – glühenden Wunsch der Heimkehre Sie hatten geheiratet, besaßen ihr Haus, eine Scheune, eine Banja, hatten Felder und Wälder, lebten einfach, aber gesund, kümmerten sich wenig um das, was draußen in der Welt geschah, sondern rodeten die Taiga, lieferten ihre im Winter erbeuteten Felle an der staatlichen Sammelstelle ab, bekamen gute Rubelchen dafür, kauften im staatlichen Konsum zu Festpreisen ein, hatten für die Kinder eine Schule, für die Seele einen alten, aber immer noch rüstigen Popen … Ich frage euch, Brüderchen, was will der Mensch denn mehr als Ruhe und gutes Essen und ein festes Dach überm Kopf. Und im Bett ein liebes, warmes Frauchen, natürlich. Und auch davon gab es genug in Sibirien.
    Selbst für die Kultur war gesorgt. Vor dem Großen Vaterländischen Krieg war Nowo Bulinskij wirklich ein erbärmliches Taigadorf, so wie man sich die Dörfer in Sibirien vorstellt. Aber dann kamen die deutschen Plennys, die politisch Verschickten, die Lebenslänglichen; die Intelligenz kam in die Taiga, und wo sie auftaucht, hat auch der Urwald seine Macht verloren.
    Und so bekam Nowo Bulinskij eine Stolowaja, einen Saal für Kultur. Gedacht war er für politische Schulungen und Versammlungen, etwa zur Oktoberrevolution, zu Lenins Geburtstag, zu Lenins Todestag, wo die Wände schwarz behangen wurden und ein Chor getragene Volkslieder sang. Meistens aber spielte man in der Stolowaja Theater, unter Leitung des ehemaligen deutschen Schauspielers Henk Wolters, der früher am Stadttheater Osnabrück den Mortimer in ›Maria Stuart‹ gespielt hatte, 1944 mit seiner Fronttheatergruppe von den Sowjets überrollt wurde und sich eines Tages in Nowo Bulinskij wiederfand. Heute besaß er eine Schneiderei, hatte eine Theatergruppe gegründet und führte deutsche und russische Komödien auf … nur Komödien, Freunde, denn tragisch und ernst war ja das Leben ohnehin. Und welch herrliche Komödien haben Gogol und Jewgenij Schwarz geschrieben!
    Ja, so war das Leben hier an der Lena, von der die Leute im Westen denken, hier bissen sich die Füchse vor Hunger und Einsamkeit in den eigenen Schwanz. Nichts da, Brüderchen! Semjonow spürte es jeden Tag: Immer neue Freunde gewann er, immer wieder brachte der eine die anderen mit, Deutsche wie Sibiriaken, und alle küßten Semjonow und die zarte Ludmilla dreimal auf beide Backen. Es war eigentlich der österliche Kuß, aber sie taten es schon jetzt, nur um zu zeigen, daß man nun Brüder sei und eine große Familie am Rand der Taiga.
    »Wir werden dir ein Haus bauen!« sagte eines Tages Egon Schliemann. Man saß in einem weiten Kreis im Aufenthaltsraum des Krankenhauses an einem hufeisenförmigen Tisch, trank Tee und aß dazu frisch gebackene Pjelmenji sibirski, das sind sibirische Mundtäschchen, etwa wie die italienischen Ravioli, nur waren sie gefüllt mit Rinderhackfleisch, Kalbsnierenfett, gehackten Nierchen und Zwiebeln, schwammen in einer fetten Fleischbrühe und dufteten herrlich nach Dill und Thymian.
    »Gleich am Wald steht ein altes Haus«, fuhr Schliemann fort, als sich das Händeklatschen gelegt hatte, mit dem seine Ankündigung bedacht worden war. »Wir reparieren es, bauen eine Scheune daran, eine Banja, ein Magazinhaus und umgeben es mit Palisaden. Zwei Pferdchen hast du, und Schweine, Ziegen, Hühner bekommst du von uns. Es ist eine beschlossene Sache: Du bleibst bei uns, Semjonow.«
    »Wie soll ich euch danken, Freunde«, antwortete Semjonow gerührt. »Soll es wirklich wahr sein, daß ich hier Ruhe finde?«
    »Niemand wird erfahren, daß du hier bist. Und in zwei oder drei

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