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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zur Sicherheit«, sagte er dabei. »Jeder braucht seine Eingewöhnungszeit. Schlaf gut, Freundchen, und laß dich nicht durch Geräusche stören, die du nebenan vom Ofen her hörst.« Er lachte laut, strich sich über die Hose und ging hinaus.
    Semjonow schlief bald ein.
    Wie Semjonow es sich vorgestellt hatte, so war es. Als die Abendschatten über Nowo Bulinskij glitten, rannte Ludmilla zur Ärztin Kirstaskaja.
    »Pawluscha ist noch nicht zurück aus dem Wald!« rief sie. »Ihm muß etwas zugestoßen sein! Ich weiß nicht, was er holen wollte – von einer Überraschung sprach er. Aber er ist noch nie so weit in den Wald gegangen, daß er nach so viel Stunden noch nicht zurück sein könnte.«
    »Was hat er denn mitgenommen?« fragte die Kirstaskaja. Sie füllte ihren monatlichen Bericht für die Apotheke in Jakutsk aus und die Meldungen an das Gesundheitskontrollamt. Was sie jetzt schrieb, war eine Lüge. Sie verschwieg die Behandlung Ludmillas und buchte die Medikamente und das verbrauchte Verbandsmaterial auf einen Unfall.
    »Eine Axt!«
    »Nicht die Nagan?«
    »Nein. Sie hängt neben seinem Bett. Und auch die Tokarev ist da.«
    »Seit wann ist Pawlik leichtsinnig? Man geht nicht ohne Waffen in die Taiga.«
    »Es beweist doch nur, daß er nicht weit gehen wollte! Und nun kommt die Nacht! Wir müssen ihn suchen, Katharina. Oh, ich habe solche Angst.« Ludmilla Semjonowa sah noch elend aus, mit dunklen Ringen unter den Augen und blassen Lippen. Selbst das schöne Haar glänzte nicht mehr wie früher. Noch zweimal hatte Kurt Wancke, der Buchhalter von Siemens, Blut spenden müssen, dann sagte er: »Jetzt wart ick nur ab, bis se ganz auf'n Damm ist. Und wenn se dann nich perfekt Berlinisch spricht, jloob ick nischt mehr an de Biologie!« Seine Blutspende hatte Ludmilla tatsächlich gerettet, aber es dauerte noch lange, ehe sie wieder das tatkräftige, mutige Frauchen war, das einmal als Ludmilla Barakowa die Uniform eines Kapitäns getragen hatte und Kommissarin im II. politischen Kommissariat von Krasnojarsk gewesen war.
    Der halbe Ort hatte sich eine Stunde später vor der kleinen Kirche auf dem Platz versammelt. Erstaunlich war's, woher die vielen Waffen kamen, denn niemand stand herum, der nicht ein Gewehr auf dem Rücken trug oder eine Pistole im Gürtel oder gar beides. Und Willi Haffner, der Maurer aus Monschau in der Eifel, hatte sogar eine Maschinenpistole in den Fellhandschuhen und drei gefüllte Magazine an einem Lederriemen vor der Brust.
    Der Dorfsowjet wandte sich mit Grausen ab und schwor sich, nichts gesehen zu haben. Ich müßte sie alle melden, dachte er. Bewaffnet sind sie wie eine kriegsstarke Kompanie. Wer weiß, was sie noch versteckt haben. Und dabei muß jedes Gewehr registriert werden, und ich muß Buch führen über die Munition, die ich ausgebe. O Gott, ich bin blind. Und außerdem will ich noch lange leben. Kann man's mir übelnehmen?
    Die Nacht war gekommen, und auch der letzte Zweifler war überzeugt, daß Semjonow etwas zugestoßen war. Das sicherste Zeichen, das man Schlimmes befürchtete, war die Schweigsamkeit, die Ludmilla umgab. Keiner sprach mit ihr, um nicht zu lügen, um nicht dumme Worte zu schwätzen und damit doch nur zu beweisen, daß man genausoviel Angst im Herzen hatte wie Ludmilla in ihren Augen. Nur Borja, der Krankenpfleger, sprach etwas, aber auch nur, weil er den Kutscher spielte und den Schlitten lenken sollte. Die Kirstaskaja hatte ihn Ludmilla mitgegeben, außerdem einen Medizinkasten mit allem, was man brauchen konnte. Binden, Bandagen, Salbe gegen Frost, Spritzen mit Herzmitteln, sogar eine Flasche Traubenzuckerlösung mit Tropfnadel. Sie selbst konnte das Krankenhaus nicht verlassen. Eine Frau mit schweren Brandwunden war eingeliefert worden. Ein Unglücksfall. Gerade als die Frau Holz nachlegen wollte, fuhr ein Windstoß durch den Kamin auf die offene Feuerstelle und schlug die Flammen über ihre Hände und Arme. Schreiend vor Schmerz hatte man sie ins Krankenhaus gebracht.
    »Er kann nur von einem Tiger angefallen worden sein«, sagte Egon Schliemann leise zu Haffner. »Warum hast du Rindvieh die MPi mitgebracht? Sieh nur, wie Genosse Dorfsowjet seine Augen auf Stielchen setzt. Jetzt weiß er, was los ist. Das Jagdgewehr hätte es auch getan!«
    »Und wenn's kein Tier war?« erwiderte Haffner. »Mir ist's egal, ob er's jetzt weiß. Er hat bisher geschwiegen, warum sollte er jetzt reden? Er wird sich denken, daß ein Bauch zum Fressen besser ist als einer,

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