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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»So, nun schlagt euch gegenseitig tot!«
    Bis heute hatte es noch keinen Toten gegeben. Denn jeder kannte ja den anderen, und die Chancen waren gleich. So läßt sich's ruhig leben, glaubt es mir, Freunde. Wäre die Welt nicht friedlicher, wenn man jedem Politiker einen Knüppel in die Hand gäbe und sie einander gegenüberstellte? So aber reden sie sich heiß und jagen dann die anderen ins Feuer, das sie angezündet haben. Das ist nicht gerecht, Genossen. Man sollte die Politiker zur Lehre in die Taiga schicken. Ein ganz bescheidener Vorschlag ist es, aber ich glaube, es hülfe mit, die Welt lammfromm zu machen …
    »Das große Haus ist das Frauen- und Kinderhaus!« erklärte Illarion, als sie das Tor in dem hohen Palisadenzaun durchschritten hatten und Illarion dem Wächter, einem ebenso wilden und dunklen Menschen wie er, gesagt hatte, das gepflegte Brüderchen habe er in der Bärenfalle gefunden. »Da man sich nie einig werden kann, wer mit wem ein Kind gezeugt hat, wohnen die Weibchen und die Kinder zusammen und werden von allen ernährt. Ist das nicht praktisch angewandter Kommunismus?«
    »So ist es, Brüderchen«, bestätigte Semjonow und hockte sich auf einen Holzbock, der neben einem Haus stand.
    »Und uns hat man eingesperrt als Antikommunisten!« rief Illarion böse. »Die Welt ist voller Widersinn!«
    »Allerdings«, sagte Semjonow. »Ihr beweist es.«
    »Wir sind eine gute Mischung«, sagte Illarion, als sie vor seinem Haus standen. Aus dem Schornstein stieg eine dünne Rauchsäule, und Illarion rieb sich die Hände. »Ein Frauchen ist bei mir«, rief er freudig und schnalzte laut mit der Zunge. »Vier Tage sind vorbei, ich bin an der Reihe. Hoffentlich ist es Annuschka. Du mußt wissen, Annuschka hat den Hintern eines Rennpferdes und die Ausdauer eines Luchses. Ins Schwitzen bringt sie einen, beim Satan. Wenn mich nichts täuscht, habe ich zwei Kinderchen mit ihr … Aber so genau weiß man das ja nicht.« Er sah sich um. Die Mehrzahl der Männer war noch im Wald. Aus dem großen Zentralhaus klangen Kinderlachen und helles Kreischen.
    Illarion hatte die Hand auf die Klinke gelegt, die aus einem geschnitzten Hirschknochen bestand.
    »Sieben Mörder sind wir«, sagte er. »Zwei haben Bomben gelegt, drei haben einen politischen Beamten mißhandelt, neun sind richtige Gauner, vom Einbruch bis zum Überfall. Macht einundzwanzig.«
    »Und du? Was hast du getan?« fragte Semjonow.
    »Ich bin ein Mörder!« antwortete Illarion stolz. »Ich habe zwei Menschen umgebracht. Mit einem spitzen Messerchen.«
    »Vor vierzig Jahren?«
    »Ja.«
    »Da warst du doch noch ein Kind!«
    »Zwölf Jahre war ich alt, Brüderchen. Groß und stämmig, aber schmaler als jetzt.«
    Semjonow nickte. Er folgte Illarion ins Haus und sah eine hübsche junge Frau am Herd stehen und Kascha rühren. Außerdem taute in einer Schüssel ein vereister Salzfisch auf. Die Frau trug ein Kleid aus blauem Leinen und Fellpantoffeln an den kleinen Füßen. Blonde, lange Haare hatte sie und blaue Augen. Ha, wie die Augen blitzten, als sie Semjonow sah. Sie drehte sich um, und er sah, daß sie schwanger war. Unter dem Kleid wölbte sich, noch nicht auffällig, der sonst schlanke Leib.
    »Marfa ist's!« sagte Illarion und schnalzte wieder mit der Zunge wie ein Kutscher, der dem Leitpferd das Zeichen zum Trab gibt. »Ein braves Frauchen. Aber siehst du, Freundchen«, er zeigte auf Marfas gerundeten Leib, »auch sie! Und keiner kennt sich da mehr aus! Ist das ein Zustand? Nein! Es muß anders werden!«
    Semjonow schwieg und setzte sich an den Tisch. Er dachte an Ludmilla und wußte, daß sie jetzt unruhig am Fenster saß, hinaussah und auf ihn wartete. Und dann würde der Abend kommen, und Pawluscha war noch nicht da, und sie würde zu Schliemann, Haffner und Wancke laufen und rufen: »Ihm ist etwas geschehen! Ein Wolf! Oder ein Bär! Oder gar ein Tiger! Helft mir, ihr Lieben! Helft mir meinen Pawluscha suchen!«
    Nach dem Essen – Illarion fraß einen ganzen Fisch und zwei Schüsseln voll Kascha, tätschelte dabei Marfas Oberschenkel und starrte ihr auf die pralle Brust, während Marfa, das schöne Luder, Semjonow unter den Lidern her musterte und ihm ein Lächeln schenkte –, nach diesem doppelten Schmaus führte Illarion seinen Gast in einen kleinen Nebenraum, wo Säcke mit Mehl und ungemahlenem Korn lagerten, zog einen Lederstrick durch einen Eisenring, sagte: »Leg dich hin, Brüderchen!« und band Semjonow an einem Eckbalken fest. »Es ist nur

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