Liebesnächte in der Taiga
Maximowitsch in der Kommandanturbaracke verschwunden, trat einer der Posten an Borja heran, klopfte ihm auf die Schulter und sagte:
»Hör mit dem Tänzchen auf, Brüderchen. Sag, was du mit hast und wo es versteckt ist. Wir liefern es den Deutschen ab. Sie teilen es mit uns. Aber das weiß der Genosse Leutnant nicht. Stepan Maximowitsch ist ein ganz Scharfer. Als Findelkind im staatlichen Waisenhaus erzogen, dann Komsomolze, dann Kriegsschule. Muß einer da nicht so werden? Komm, sei ein Freund, Brüderchen, und rück mit dem Verborgenen heraus.«
So wurde Borja seine Geschenke an die Lebenslänglichen los. War das nicht ein Grund, fröhlich zu sein, frage ich euch, Genossen? Wenn noch Ehrlichkeit unter den Menschen herrscht und Menschenliebe in den Gehirnen wohnt … wahrlich, da ist ein frohes Liedchen angebracht.
Mit Schamow war es anders. Er hatte um zwei Rubel und neun Kopeken gekämpft wie eine Wölfin um ihr Junges, aber nur Ablenkung war das, Freunde, nur geschickte, üble Ablenkung. Denn auf alle Waren hatte Schamow ein paar Kopeken aufgeschlagen, und unter Abrechnung der verlorenen neun Kopeken und zwei Rubel hatte er immer noch im ganzen fünfzehn Rubel und sieben Kopeken mehr verdient, als ihm zustanden.
Ist es nicht ein herrliches Leben in der Taiga?
Wenn die Sonne scheint …
Am Morgen des folgenden Tages wurde der Plenny Peter Kleefeld dem Major Kraswenkow vorgestellt. Dr. Langgässer hatte ihn wieder arbeitsfähig geschrieben, und es war die Pflicht des Lagerkommandanten, sich davon zu überzeugen. Zumindest hielt es Major Kraswenkow so. Er war das ›Väterchen‹ seiner Lebenslänglichen. Ihre Gesundheit war auch seine Gesundheit.
»Aha! Unser Schlafwandler!« sagte Kraswenkow, als Kleefeld in die Amtsstube kam und strammstand. Er hatte noch ein gelbgrün getöntes Auge, und auf dem rechten Fuß hinkte er etwas.
Kleefeld holte tief Atem. Er war allein mit Kraswenkow im Zimmer, niemand hörte ihn, niemand konnte ihn an seinem Vorsatz hindern.
»Ich habe eine Meldung zu machen, Herr Major!« sagte er.
Kraswenkow hob die Augenbrauen. Da kommt Unangenehmes auf mich zu, fühlte er. Man muß daran vorbeihorchen. Die Sache mit dem Schlafwandeln glaubt ja doch keiner. Aber das ist eine interne Angelegenheit des Lagers, das braucht Jakutsk nicht zu wissen. Eine Meldung jedoch muß weitergegeben werden.
»Fühlen Sie sich wieder gesund?« fragte er deshalb.
»Eine dringende Meldung, Herr Major«, wiederholte Kleefeld.
»Sie werden die ersten drei Wochen noch Küchendienst machen.« Kraswenkow winkte lässig mit der rechten Hand. »Dann soll der Lagerführer Sie für das Holzsammelkommando einteilen.«
»Herr Major …« Kleefeld zog den Kopf zwischen die Schultern. Nach Hause, dachte er. Nach Hause! Frei! Nicht in Sibirien verrecken und unter einem Birkenkreuz verfaulen. Ich habe einen Hof mit dreihundert Morgen, davon zweihundert unterm Pflug!
»Noch etwas?« Kraswenkows Stimme hob sich.
»Bleibt es bei dem Angebot, daß man sofort entlassen wird, wenn … wenn …« Kleefeld schluckte wieder. Ein Kloß steckte in seinem Hals. Jemand würgte ihn, er drehte sich um, aber da war niemand. Allein stand er mitten im Kommandantenzimmer. War es Angst? Das Gewissen?
»Verrat wird von bestimmten Kreisen immer belohnt!« Kraswenkow sah Kleefeld, diesen schmächtigen, blaugeschlagenen deutschen Plenny, aus harten Augen an. »Überlegen Sie sich, was Sie sagen wollen.«
»Eine Meldung, Herr Major …« Kleefeld rang die Hände. Die Fingergelenke knackten laut. »Schü… schützen Sie mich vor den anderen, wenn ich es melde? Sie schlagen mich sonst tot …«
»Es wird leider meine Pflicht sein«, antwortete Kraswenkow steif. »Sie wollen die Meldung machen?«
»Ich will nach Hause, Herr Major. Verstehen Sie das nicht? Ich habe drei Kinder …«
»Reden Sie!« Major Kraswenkow humpelte zu einem Tisch. Von dort aus schlug er mit der Faust gegen die Holzwand. Aus dem Nebenzimmer ertönte eine Antwort.
»Sofort, Herr Major!«
Leutnant Maximowitsch. Kleefeld erbleichte.
»Muß … muß er dabeisein, Herr Major?«
»Natürlich. Als Zeuge und Protokollführer.« Leutnant Stepan Maximowitsch trat ein, stand stramm, grüßte und musterte aus den Augenwinkeln den deutschen Plenny. Eine Beschwerde? O Brüderchen, keine ruhige Minute wirst du haben!
»Schreiben Sie, Stepan Maximowitsch«, sagte Kraswenkow und zeigte auf den Tisch. »Nr. P/49.618 hat eine Meldung zu machen.«
»Zu Befehl.« Der junge
Weitere Kostenlose Bücher