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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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das Licht aufflammte, sah Jefimow in die Nagan mit dem dicken Brotstück vor der Mündung. Er lächelte bitter und blickte Ludmilla an, die ängstlich hinter Semjonows breiter Schulter hervorlugte.
    »Schalldämpferersatz«, sagte er. »Natürlich, so etwas lernt man auf den Agentenschulen.« Jefimow setzte sich an den Tisch, er wußte nicht, was er jetzt tun sollte. »Wissen Sie, daß Sie mein Leben zerstört haben, Semjonow? Doppelt zerstört. Ludmilla haben Sie mir weggenommen, und ich werde mein trauriges Dasein beschließen in diesem Dreckposten von Kisyl-Polwan. Mußte das alles sein?«
    »Diese Frage haben wir uns selbst oft genug gestellt. Wissen Sie eine Antwort darauf, Jefimow?« Semjonow trat an den Tisch. Ludmilla begrüßte Jefimow mit einem Händedruck, aber er war mehr als ein Gruß. Er war eine stumme Bitte um Hilfe, ein Ausdruck von Vertrauen. Jefimow sah auf das im Schlaf etwas verzerrte Gesicht der kleinen Nadja in der großen ledernen Tasche.
    »Der Mensch irrt, das ist es, Pawel Konstantinowitsch.« Er beugte sich über das Kind. »Es sieht wie Sie aus, Ludmilla.«
    »Nein, wie Pawluscha. Sie sollten es ansehen, wenn es wach ist, wenn es herumläuft und lacht.« Ludmilla lehnte sich gegen die Tischkante. »In zwei Stunden müssen wir über die Grenze sein, Maxim Sergejewitsch.«
    »Alle Posten sind alarmiert. Am späten Nachmittag kam die Sperre der Grenze über den Telegraf.« Jefimow sah auf seine Hände und dann auf die Nagan Semjonows mit der dicken Scheibe Brot davor. »Ich nehme an, daß Karpuschin schon jetzt in Samarkand ist. Wie ist das alles so plötzlich gekommen? Sind Sie verraten worden?«
    »Ich weiß es nicht.« Die Erwähnung Karpuschins ließ keinen Raum mehr für Überlegungen. Ein klarer Fluchtweg lag vor ihm, wenn er die Meldungen zusammensetzte.
    Der Weinverkäufer im Bahnhof von Bajram-Ali. Der Lastwagenfahrer der Karakulschaf-Sowchose Merwska. Der Kameltreiber, den sie später nach Kisyl-Polwan fragten.
    Semjonow wischte sich über die Augen. »Fast zwei Jahre sind wir auf der Flucht«, sagte er langsam. »Was ist uns davon geblieben? Ein Vorsprung von ein paar Stunden! Ist das nicht ein lächerliches Schicksal, Maxim Sergejewitsch? Jetzt liegt es an Ihnen, ob die Unlogik, die unsere Welt regiert, wieder triumphiert.«
    »An mir?« Jefimow nickte mehrmals.
    Ludmilla war ans Fenster getreten. Der Himmel war fahl. Der Gefreite Iljitsch Wladimirowitsch war abgelöst worden. Ein anderer pelzvermummter Soldat stampfte vor dem Schlagbaum auf und ab.
    »Es wird Morgen«, sagte sie leise in die betretene Stille, die Jefimows Worten folgte. »Wir müssen zur Grenze, Maxim Sergejewitsch.«
    »Ich fahre euch mit meinem Jeep bis zur Markierung.« Jefimow sprang auf. »Ich habe etwas gutzumachen, Ludmilla.«
    »Wollen Sie uns helfen, Jefimow?« fragte Semjonow. Er stand an der Tür, noch immer die Nagan mit dem Brot in der Hand. »Dann reden Sie nicht soviel … wir müssen im Iran sein, wenn Karpuschin kommt. Und er wird kommen!«
    »Natürlich. Aber er wird zu spät dran sein.« Jefimow stieß die Tür auf. »Kommt, Freunde. In einer halben Stunde könnt ihr in Serachs sein.«
    Hintereinander gingen sie zum Fahrzeugschuppen, vorbei an den anderen Steinhäusern und an dem Posten, der ihnen verblüfft nachstarrte. Jefimow holte den alten Jeep aus dem Schuppen. Ludmilla und Semjonow stiegen ein. Jefimow steckte gerade den Schlüssel in das Zündschloß, als durch die Stille des dämmernden Morgens das Telefon schrillte. Der Posten am Schlagbaum sah seinen Kommandanten an. Jefimow nickte und winkte. Der Milizsoldat rannte ins Haus, öffnete das Fenster und rief hinaus, was er am Telefon hörte.
    »Bajram-Ali!« schrie er in den kalten Morgen. Vor seinem Mund tanzte das Atemwölkchen. »General Karpuschin …«
    Ludmilla preßte die Lippen aufeinander. Semjonow sah hinüber zu den dunklen Bergen. So nahe ist er schon, so nahe … Jefimow nickte.
    »Der Genosse General fragt, ob Semjonow, seine Frau und das Kind hier sind!« schrie der Soldat am Fenster.
    Jefimow winkte mit beiden Händen. »Nein!« rief er zurück. »Sag nein!«
    »Aber da …« Der Soldat zeigte auf die beiden Menschen hinten im Jeep. »Der Genosse General …«
    Jefimow sprang aus dem Wagen, lief zum Fenster seines Hauses und riß den Hörer aus der Hand des Soldaten.
    »Matweij Nikiforowitsch!« sagte er mit ruhiger Stimme ins Telefon. »Hier spricht Jefimow. Es ist gut, daß Sie sich an mich erinnern, Genosse General.

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