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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sie fragen nach Semjonow? Wozu diese Frage? Wenn er bei mir wäre, hätte ich es Ihnen sofort gemeldet. Oder vertrauen Sie nicht auf meine kommunistische Treue?«
    Und Karpuschin antwortete: »Der Soldat, Genosse, benahm sich so merkwürdig. Was ist los bei Ihnen?«
    »Der Soldat, Genosse, ist besoffen! Kommen Sie her, und Sie werden verstehen, daß Saufen hier zu einer Philosophie werden kann!«
    Damit legte Jefimow auf, aber er hörte noch, wie Karpuschin sagte: »Ich werde kommen. Das dürfte sicher sein!«
    »Ich bin nicht betrunken«, sagte der Milizsoldat. Er war ein älterer Mann, den man in die Einsamkeit strafversetzt hatte, weil er einen jungen Leutnant, der ihn ein krummes Schwein genannt hatte, verprügelt hatte. »Und dort im Wagen sitzen der gesuchte Semjonow und seine Frau.«
    »Du schielst, mein Junge!« sagte Jefimow tief aufatmend. Dann gab er dem Soldaten eine Ohrfeige und nickte ihm zu. »Nun kannst du wieder geradeaus sehen, nicht wahr? Erkennst du einen Mann und eine Frau in meinem Wagen?«
    »Nein!« erwiderte der Soldat verbittert. »Ich sehe nichts.«
    Dann schwieg er und blieb am Fenster stehen, bis Jefimow den Jeep angelassen hatte und mit Semjonow und Ludmilla die Grenzstraße hinauf in die Berge fuhr. Da griff der alte Soldat zum Telefon, wählte die Direktnummer der Kommandantur von Bajram-Ali und meldete, die Füße zusammen, als stände er vor ihm:
    »Genosse General, man betrügt unser Volk. Soeben hat Jefimow mit den Gesuchten die Station verlassen. Sie fahren zur Grenze. In einem Jeep sitzen sie, Genosse General. Ich bitte, meinen Namen sich zu merken. Anastas Lukanowitsch Gaijew. Man hat mir versprochen, bei einer besonderen vaterländischen Tat begnadigt zu werden …«
    Dann hängte er ab, stolz und zufrieden.
    »Ein braver Sohn«, hatte der Genosse General gesagt.
    Das Leben in Kisyl-Polwan war für den Soldaten Gaijew zu Ende. Nach Samarkand würde er kommen. In den blühenden Garten Gottes.
    Der Soldat Gaijew sah hinüber zur Straße. Der Jeep war nicht mehr zu sehen. Aber eine dünne Staubwolke stieg zwischen den Felsen in den silbernen, morgendlichen Himmel. Über dem Karagebirge lag Neuschnee. In der Nacht war er gefallen. Vorbote des Winters.
    Und in Bajram-Ali stieg ein Hubschrauber auf. Mit Karpuschin, Marfa und zwei Maschinengewehrschützen.
    Die Zeit war zusammengeschrumpft bis zum Ticken der Sekundenzeiger.
    Da können auch drei Werst länger werden als ein Flug zum Mond.
    Jefimow saß stumm hinter seinem Steuerrad und ließ den alten Jeep über die rissige Bergstraße hüpfen. Hier kannte er nun jeden Stein, jede Bodenwelle, jede Senke, jede Höhle, jedes Wildbachbett, jeden mageren Strauch. Nach zweihundert Metern kommt ein kleiner, runder Hain aus wilden Mandelbäumen, Geißblatt und Karagatschi , kleinen sibirischen Ulmen, dachte er. Und dann eine Steinbrücke, noch von den Sklaven Scheibani -Khans gebaut, und dann geht es steil hinauf zu den verschneiten Pässen, wo die eigentliche Grenze ist, unsichtbar, nur eine Linie auf den Karten der Politiker. Eigentlich weiß man gar nicht, ob man noch in Rußland oder schon in Persien ist, das weiß man nur, wenn man den Marktflecken Serachs erreicht. Die amtliche Grenze, das ist Kisyl-Polwan, sind die fünf Steinhäuser im kahlen Tal, die Jefimow in eineinhalb Jahren hassen gelernt hatte.
    Der Wagen blubberte und stieg dem silbernen Morgenhimmel entgegen. Nadja rührte sich, sie bewegte sich in der Tasche, gähnte, stieß ein paar wimmernde Schlaflaute aus und versank dann wieder in Träume. Semjonow hatte das Stück Brot von der Mündung seiner Nagan abgenommen und reinigte den Lauf mit einem dünnen Stöckchen und einem Fetzen seines Taschentuchs. Ludmilla sah auf den Nacken Jefimows; sie saß hinter ihm, mit gefalteten Händen, und blickte ab und zu zu den Gipfeln des Karagebirges empor, auf denen der Neuschnee glänzte wie blankgeputzte Silberkappen.
    »Noch zwei Werst«, sagte Jefimow. »Dann setze ich euch ab. Nur ein kleines Stück ist es noch bis zum Iran.« Er hielt an und drehte sich um zu Ludmilla. »Das große Glück wünsche ich dir, mein Täubchen.«
    »Ich habe es schon, Maxim Sergejewitsch. Ich habe Pawluscha und Nadja.« Ludmilla legte ihre Hand auf Jefimows Schulter. Er drehte den Kopf zur Seite und legte seine Wange auf ihren Handrücken. Es war die letzte, zaghafte Zärtlichkeit eines Mannes, der wußte, daß ihm das Leben nichts mehr zu schenken hatte. »Willst du nicht mitkommen?« fragte Ludmilla

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