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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sich leichter über die Weltanschauung als von einem Abteilfenster aus. Mein Name ist Pawel Konstantinowitsch Semjonow.«
    »Ludmilla Barakowa«, antwortete sie steif. »Ich war in Kusmowka, um Sie abzuholen. Da erfuhr ich von dem Unglück und kam hierher. Ich bin der Politkommissar des Holzkombinats Kalinin II. Sie werden also mit mir eng zusammenarbeiten müssen.«
    »Das ist eine schöne Aussicht.« Semjonow meinte es doppelsinnig, und Ludmilla verstand es auch so. Ihre schmalen Lippen verzogen sich etwas. Ein arroganter Affe, dachte sie böse. Man könnte ihn dauernd in die Visage schlagen. Eine Frau ist für ihn ein Bettwärmer, weiter nichts. Genauso sieht er aus. Wie Bilder täuschen können. Er wird mir keine Hilfe im Lager sein, sondern eine neue Belastung. Und eine schwerere, als es die Arbeiter sind. Sie sind eine knurrende Masse Hunde, er aber wird sich zu einem hinterlistigen Wolf entwickeln.
    An der Lokomotive entstand jetzt eine Schlägerei. Der Lokführer drosch auf einen Waldarbeiter ein und brüllte dabei: »Laßt mich, Genossen! Ich brauche mir das nicht bieten zu lassen! Einen Hurensohn nannte er mich! Vier Kinder hatte mein Mamachen und brachte sie alle durch ohne Vater! Ist das nicht anerkennenswert? Laßt mich ihn züchtigen, Genossen!«
    »Ich schlage vor, Sie steigen in meinen Wagen, und wir fahren zusammen nach Kusmowka. Bis dieser Fall der Entgleisung untersucht ist, kann es noch lange dauern.« Ludmilla Barakowa sprach in einem herrischen Ton.
    Semjonow nickte. »Ja, es wird lange dauern. Bei der Gründlichkeit der Beamten. Die Leutchen täten gut, statt zu schwätzen, sich etwas für die Nacht zu besorgen. Vor allem heißes Wasser, denn nachts wird es schon sehr kalt …«
    Er stieg in den Waggon, holte zwei Koffer heraus und trug sie neben Ludmilla her zu deren Jeep. Fachkundig klopfte er gegen das Blech. »Amerikaner, was? Aus dem Großen Krieg noch. Unverwüstlich, nicht wahr? Sie können schon was, die Kapitalisten.«
    »Wir bauen bessere Jeeps!« sagte Ludmilla hart und stieg wütend ein. »Aber warum sollen wir diese wegwerfen, solange sie noch laufen?«
    »Eben!« Semjonow kletterte neben Ludmilla auf den Sitz und legte den Arm hinter ihr auf die Rücklehne. Dabei berührte er ihre Schulter.
    »Was soll das?« fragte sie wütend.
    »Was, Genossin?«
    »Nehmen Sie den Arm weg!«
    »Ach, den Arm. Eine alte Gewohnheit von mir, wenn ich neben einer Frau im Wagen sitze. Verzeihung.«
    »Ich bin keine Frau!« Sie ließ den Wagen an und lenkte ihn über das Feld durch den Schlamm hinüber zur Straße.
    Semjonow betrachtete sie von der Seite. Eine wilde Schönheit, dachte er. Ein noch schwelender, noch nicht ausgebrochener Vulkan. Schwer zu sagen, woher sie stammt. Sie kann aus Kasan kommen oder auch aus Tiflis, aus Kasachstan oder Turkmenien, auf jeden Fall aber aus dem Süden. Und sie weiß, wie hübsch sie ist. Beim Autofahren wölbt sie den Busen vor, was gar nicht nötig ist, um Gas zu geben.
    Nach wenigen Minuten lag die Unfallstelle hinter ihnen. Sie waren allein in der weiten Einsamkeit von Moossteppe und Waldgruppen, durch die sich die Straße zog wie ein Schnürriemen, den einmal vor Urzeiten ein Riese aus seinem Schuh verloren hatte.
    »Ich werde respektieren, daß Sie keine Frau sind, Ludmilla Barakowa«, sagte Semjonow und stopfte sich seine Pfeife. Er rauchte eine Mischung aus Machorka und gelbem chinesischem Tabak, den er noch in Krasnojarsk kaufen konnte. »Mir war das gleich bewußt, als ich Sie sah.«
    »So?« fragte sie spitz zurück. Ein unverschämter Flegel ist er, dachte sie. Lustig macht er sich über mich! Oh, ich werde ihn hassen! Hassen wie den Eiswind, wie das Heulen der Wölfe in der Nacht, wie die Deutschen! Ja, das ist der richtige Haß. Hassen wie die Deutschen … gibt es eine größere Abneigung als einen solchen Ausdruck?
    »Ich sah Ihre Uniform, Genossin Kapitän, und wußte, daß ein achtenswerter Kommunist vor mir stand. Sie waren sicherlich auf der Politrukschule?«
    »Ich habe sie mit Auszeichnung absolviert.«
    »Gratuliere.« Semjonow brannte die Pfeife an. Es roch süßlichherb. Der Geruch eines Mannes. Ludmilla atmete den Duft ein, und ihre Lippen wurden noch schmaler. »Wie lange fahren wir noch durch dieses schöne, kultivierte Land?«
    Ludmillas Kopf flog herum. »Vier Stunden!« schrie sie außer sich. »Wenn Sie solch ein Genie sind, warum kultivieren Sie dann nicht dieses Land? Hier ist der Boden sieben Monate lang gefroren, und aus Steinen

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