Liebesnächte in der Taiga
Körper wieder zwei werden.
So schliefen sie ein, ineinander verschlungen, und die Pferdchen standen hinter ihnen, an die Bäume gelehnt, und schliefen im Stehen. Über die Ebene und den kleinen Fluß trieb der Schnee, der Sternenhimmel verblaßte. Aus der unendlichen Tiefe schob es sich grau heran: ein neuer Wintertag.
Sie wurden durch ein Brummen aufgeweckt.
Über ihnen kreiste ein Hubschrauber. Ein Militärflugzeug, graugrün, mit dem Sowjetstern. Es flog, das sah man, genau nach der Karte die Planquadrate ab und entfernte sich vom Wald zur freien Hochebene hin.
»Sie suchen uns«, sagte Semjonow und legte sein Gesicht zwischen die warmen Brüste Ludmillas.
»Aber sie sehen uns nicht.« Sie zog die Felle über ihre Köpfe und legte beide Arme um den Körper Semjonows. »Und wir sehen sie auch nicht, Pawluscha. Oh, wie warm dein Körper ist. Ich werde nie erfrieren, nie … solange du mich umarmst …«
Gegen Mittag begann es zu schneien.
Da war Semjonow auf der Jagd. Er hatte die Spur eines Fuchses entdeckt. Der Lebenskampf hatte begonnen. Als Pelzjäger wollte er weiterleben, als einer der Einsamen, denen die Taiga nicht Feindin, sondern Vertraute ist.
In Kusmowka erlebte der gute Maxim Sergejewitsch Jefimow, daß auch ein gebildeter Mann in der Uniform eines Obersten der Roten Armee, ja sogar mit vielen Orden auf der Brust, unflätig reden kann wie ein Fischweib. Außerdem besann er sich darauf, daß sein Vorgänger in die Mongolei abgeschoben worden war, weil er wegen Unfähigkeit nicht mehr in Krasnojarsk tragbar schien. Die Unfähigkeit aber bestand darin, daß er Sollerfüllungen nicht mehr meldete, weil sie nicht vorhanden waren. Das faßte man als Sabotage am Siebenjahresplan auf, degradierte den Genossen Kommissar und verbannte ihn ins Tuwinische Gebiet. Dort – so erzählte man sich – wurde er irrsinnig, weil er nichts anderes zu essen bekam als ranzige Kamelbutter, Lamafleisch und Hirsebrei mit getrockneten Heuschrecken. Das soll einer aushalten, Genossen! Auch wenn Heuschrecken in diesen Gebieten zu den Delikatessen gehören. Es ist eben alles Geschmackssache.
In Kusmowka fuhren Karpuschin und Jefimow zunächst dorthin, wo man Ludmilla Barakowa sicher vermutete: zu dem Gebäude des Stadtsowjets, das im Keller Zellen für Leute wie Semjonow besaß.
Aber der Stadtkommandant wußte von gar nichts. Er hatte weder eine Kommissarin gesehen noch einen gefangenen amerikanischen Spion. »Ein Spion bei uns?« rief er ehrlich entsetzt. »Genosse Oberst, das ist ja fürchterlich!«
»Wo ist die Barakowa?« schrie Karpuschin unbeherrscht und hieb mit beiden Fäusten auf den unschuldigen Tisch des Stadtkommandanten. »Zum Teufel und verdammt noch mal, wo ist sie? Nicht im Lager, nicht in der Fabrik, nicht im Kombinat, nicht hier …«
»Vielleicht ist sie jetzt doch im Lager«, wagte Jefimow einen schüchternen Einwand. »Sie kann einen anderen Weg …«
»Anrufen!«
Man rief im Kombinat Kalinin II an. Der Natschalnik verneinte. Was sollte er auch anderes tun? »Genossin Barakowa ist in voller Uniform weggefahren, wie ich schon sagte. Zurück ist sie noch nicht.«
»Man sollte in eure Gehirne scheißen!« schrie Karpuschin, und das war der Beginn einer Serie von Flüchen und Ausdrücken, die Jefimow nie aus dem Mund eines Obersten erwartet hätte. Er blieb ganz still, hörte sich die Beschimpfungen an und dachte nur immer wieder: O Mutter von Kasan … wenn er wüßte, daß ich ihn in die Abschußbasen von Komssa mitgenommen habe. Ihn, den amerikanischen Spion. Bei Jesus und seiner Speerwunde … er würde mich zerreißen. Jawohl. Karpuschin würde mich mit eigenen Händen zerfleischen wie ein Vampir. Es darf nie, nie bekanntwerden, daß Semjonow vor den Interkontinentalraketen gestanden hat und ich ihm auch noch den Abschußmechanismus erklärt habe …
Was hilft das Fluchen, wenn zwei Menschen verschwunden sind? Man wird nur heiser, verbraucht Kraft und alle gemeinen Vokabeln, setzt sich in ein schlechtes Licht und erreicht doch nichts! Also schwieg auch Oberst Karpuschin und begann, den Fall systematisch aufzurollen.
Eines wußte man genau: Die Genossin Barakowa hatte Semjonow verhaftet und mit einem Jeep abtransportiert. Dafür gab es eine Masse Zeugen, und es war gut für Jefimow, daß er so nachweisen konnte, wie pflichtbewußt seine Leute arbeiteten. Das war aber auch alles. Vom Verlassen des Holzwerkes an gab es weder eine Kommissarin noch einen Spion oder einen Jeep mehr.
»Nehmen wir
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