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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eine Frage, die Jefimow nicht beantworten konnte. Das einzige, was er konnte, war die Frage wiederholen:
    »Ja, wo ist sie?«
    »Sie sind abgefahren.« Luka Iwanowitsch hob die Schultern. »Dorthin …«
    »Was heißt dorthin? Zum Lager?«
    »Oder in die Stadt …«
    Karpuschin ging mit festen Schritten zum Wagen zurück und ließ sich in die Polster fallen. Wenn es auch kein voller Triumph für ihn war, so war es doch erreicht: Franz Heller, der sich Semjonow nannte, war verhaftet. Ein großer Tag für Karpuschin.
    »Fahren wir in die Stadt«, sagte er milder gestimmt.
    Die Wagenkolonne fuhr an und tauchte in der Schneenacht unter. Die Räder warfen den Neuschnee auf, als bliesen sie ihn weg. Karpuschin lehnte sich zurück und putzte seinen Kneifer. Ein großer Druck war von ihm genommen.
    Noch heute nacht verhöre ich ihn, dachte er. Ohne Rücksicht. Ohne Mitleid. Und morgen werde ich nach Moskau melden, daß er gestanden hat, Amerika wolle zum Krieg gegen Rußland rüsten. In aller Munde wird der Name Karpuschin sein.
    General Matweij Nikiforowitsch Karpuschin!

6
    Für Semjonow und Ludmilla gab es nur einen Weg ins Leben. Nach Süden konnten sie nicht … dort wurde das Land immer dichter besiedelt, dort hatte die Partei ihre Beobachter im kleinsten Dorf, dort fiel ein Fremder auf, wenn er auftauchte und nach kurzer Rast weiterzog oder sich gar festsetzen wollte. Im Norden aber, im Urwald der Taiga, fragte niemand, weil niemand da war, der fragen konnte. Ab und zu zogen Pelztierjäger herum, wohnten in Holzhütten, die im Winter zu Schneehügeln zuwehten, die kleinen Ewenken züchteten Rentiere, oder es tauchten Holzschlagkolonnen auf, aber nur im Sommer, wenn man die gefällten Bäume auch abtransportieren konnte. Im Winter legte sich das große Schweigen über die Taiga. Nur der Sturm heulte, das Eis krachte auf den Flüssen, die Bäume ächzten, und die Wölfe strichen mit blutenden Lefzen umher, denn die steinharte Baumrinde war ihre einzige Nahrung. Ab und zu blieb ein Wolf entkräftet liegen. Dann war es ein Feiertag für die anderen. Sie zerrissen ihn und waren wie toll beim Anblick des dampfenden Blutes.
    Nach dem Abschied von Ilja Saweliwitsch Lagutin, dem Pelztierfarmer, zogen Semjonow und Ludmilla noch drei Stunden durch die Nacht, quer durch den Wald. Nun gab es keine Straße mehr, sondern nur noch eine Richtung. Es war eine windstille Nacht, zumindest zwischen den Bäumen. Sie kamen gut voran, und Ludmilla schlief etwas, während Semjonow die munteren Pferdchen wie im Slalomlauf zwischen den Bäumen hindurchdirigierte und erst anhielt, als der Wald sich lichtete und die Ebene eines kleinen Flusses das Land wie eine tiefe Narbe durchschnitt.
    Ludmilla wachte auf, als das leichte Schwanken des Schlittens aufhörte.
    »Ich habe ja geschlafen, Pawluscha«, sagte sie und rieb sich die Augen. Ein kleines, zusammengerolltes Fellknäuel war sie, ein Klümpchen Leben zwischen Kisten und Säcken, Werkzeugen und Decken, Kartons und blechernen Behältern. »Warum hast du mich schlafen lassen?« Sie kletterte nach vorn zu Semjonow und setzte sich neben ihn. Trotz des dicken Pelzes und der Fufaika, die sie darunter trug, fror sie. »Warum hältst du?«
    »Ich möchte hier warten, Täubchen.« Semjonow sprang in den Schnee, schirrte die Pferde los und stampfte hin und her, um die lahmen Glieder aufzutauen und die Gelenke zu lockern. »Ich halte es nicht für gut, wenn wir den Morgen außerhalb des Waldes erleben. Vor uns beginnt eine kahle Steinebene, und wenn sie uns suchen, werden sie uns da entdecken wie Läuse auf einer glatten Haut.«
    »Wie weit sind wir jetzt von Kusmowka weg, Pawluscha?« fragte Ludmilla. Sie sprang ebenfalls auf den Boden und suchte in dem Gewühl der Kartons und Kisten nach dem Spirituskocher, der Teebüchse und einem Wasserkessel.
    »Nicht sehr weit.« Semjonow lehnte sich gegen den Schlitten und breitete eine Karte über einen der Holme. »Es wäre für Jefimow eine Leichtigkeit, uns einzuholen, wenn er uns aus der Luft entdeckte. Er wird uns mit Hubschraubern suchen, sobald der Morgen graut. Er weiß, daß wir noch nicht weit sein können.« Semjonow faltete die Karte wieder zusammen und schob sie unter den Schlittensitz, über dem ein Wolfsfell lag. »Aber solange wir im Wald sind, werden wir unsichtbar sein.«
    Er lehnte sich wieder gegen den Schlitten und sah zu, wie Ludmilla aus Holzstangen und Decken von der Rückseite des Schlittens aus ein kleines Zelt baute und den

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