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Liebesnaehe

Liebesnaehe

Titel: Liebesnaehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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über ihm darauf wartet, sich langsam auf ihm auszubreiten. Soll sie? Soll sie nicht? Sie atmet tief aus und ein, sie versucht, sich zu beherrschen und wieder zur Ruhe zu kommen, es passt nicht, nein, jetzt passt es nicht, im Grunde weiß sie das. Sie will es aber nicht wissen, sondern sie will ihren Sinnen folgen, die jetzt ihre eigenen Ziele haben. Einen Moment erscheint ihr dieses Hin und Her wie ein Krampf, warum gibt sie
nicht einfach ihren Empfindungen nach, so, wie sie es sonst doch wohl tun würde? Sonst? Wann denn sonst? Wann hat sie sich je einem Mann so genähert? Wann war eine Annäherung in ihrem Leben derart intensiv?

    Nein, es ist nicht richtig, dieses Zusammenkommen jetzt von sich aus zu forcieren, sie atmet weiter tief ein und aus und versucht, sich zu beruhigen. Sie darf ihn nicht länger anschauen, nein, auf keinen Fall, sie darf nichts sehen, was ihre starken Fantasien weiter belebt und entzündet. Sein Körper ist von der Wärme unter der Decke leicht gerötet, sie will, dass er sich wieder in sich zusammenzieht und weiterschlummert.

    Sie zieht sich von ihm zurück, sie rutscht langsam auf den Knien bis hinunter zu seinen Füßen, dann nimmt sie die Decke und breitet sie wieder über ihm aus. Sie greift nach dem T-Shirt und geht auf Zehenspitzen hinüber zum Schrank. Sie entnimmt dem CD-Player die CD mit den Klarinetten-Soli und legt eine CD mit altjapanischer Musik ein. Als sie die ersten, sehr verhaltenen und leisen Klänge hört, zieht sie sich vollständig aus und sucht nach ihrem Badeanzug. Dann schlüpft sie hinein und verlässt still den Raum. In der Tür schaut sie sich noch einmal nach ihm um, er erscheint ihr kleiner als je zuvor. Sie lächelt, als sie ihn so zusammengerollt daliegen sieht, nein, er ahnt nicht, was in den letzten Minuten geschehen ist.

    Und was wird später geschehen? An diesem Abend, in dieser Nacht? Sie will darüber nicht nachdenken, nein, sie will ihren weiter etwas aufdringlichen Fantasien jetzt
nicht folgen. Draußen auf der Wiese vor dem Haus springen einige Kinder herum und bleiben erschreckt stehen, als sie aus der Tür des Gartenhauses nach draußen kommt. Sie schauen sie an, sie haben nicht mit dieser Erscheinung gerechnet, »hallo Kinder«, sagt sie mit einem leichten Krächzen in der Stimme, doch diese Begrüßung erscheint ihr sofort hilflos und steif. »Hallo Kinder!« versucht sie es noch einmal, doch keines der Kinder antwortet auch nur ein Wort. Sie schaut zurück, was glotzen sie denn so, ja, was gibt es zu glotzen? Sie will etwas dazu sagen, wendet sich dann aber von ihnen ab, nein, sie hat überhaupt keine Lust, sich jetzt auf so etwas einzulassen.

    Während sie hinüber zu der kleinen Anhöhe geht, von der aus man auf den Pool schaut, hört sie vom Hotel her lautere Geräusche als sonst. Ein leichtes Vibrieren und Dröhnen liegt in der Luft, manchmal auch ein Rauschen und dann wieder ein Zischen und Flüstern. Was ist das? Sie geht langsamer und konzentriert sich auf die Geräusche, dann bleibt sie einen Moment stehen. Sie hört eine auf und ab swingende Stimme mit einem starken Hintergrundrauschen und -raunen, ja, jetzt begreift sie. Es ist Samstag, es ist Samstagnachmittag … – die Türen im unteren Geschoss des Hotels hin zur Freianlage stehen weit offen. Drinnen aber scheinen die Fußballübertragungen zu laufen, »erste Bundesliga, Bayern München«, sagt sie laut, und als sie diese Worte hört, hat sie das Gefühl, mit einem Mal wieder einen Schritt zurück auf das Gelände der alltäglichen Ereignisse und Dinge zu tun.

    Als sie die kleine Anhöhe erreicht, lassen die starken Bilder der letzten Minuten sie aber noch einmal zurück zum Gartenhaus blicken. Sie bleibt stehen und schaut das Gartenhaus an, in diesem Haus hat soeben etwas Geheimnisvolles stattgefunden, das sie nicht loslässt. Was aber ist dort genau geschehen? Wohin bewegt sich ihre gemeinsame Geschichte, die an einem ruhigen Morgen vor zwei Tagen hier begonnen hat?

    Als sie mit ihren Überlegungen nicht weiterkommt, entschließt sie sich, noch einmal zurückzugehen. Sie geht rasch, als hätte sie etwas vergessen, doch dann betritt sie das Gartenhaus nicht, sondern schaut von der Seite durch eines der Fenster hinein.

    Er liegt noch immer schlafend auf dem Boden, die leise Musik begleitet sein Träumen. Am liebsten würde sie noch einmal wiederholen, was sie eben mit ihm gemacht hat. Die Decke zur Seite schlagen, ihn berühren, sich entblößen, auch ihn langsam

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