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Liebesnaehe

Liebesnaehe

Titel: Liebesnaehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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ihren beiden Wohnungen wohnen und sich jeden Tag in ihrem großen Atelier treffen.

    Das Atelier – ja, auch das ist ein Kernbereich dieser intimen Verhältnisse. Früher war es ein Teil von Georgs Galerie, dort liefen Ausstellungen und Präsentationen, so lange, bis Georg begann, diesen Teil von den übrigen Galerieräumen abzutrennen und als eigenständige Raumanlage zu benutzen. »Das wird einmal Dein Atelier« , sagte er zunächst zu dem Kind, das sie damals noch war, und tat einige Zeit nichts anderes, als zwei große Räume der Galerie leer zu räumen, Stück für Stück. Als die Räume leer standen, spazierte er gerne mit ihr darin herum, »komm, wir gehen spazieren«, sagte er und nahm
sie an der Hand und holte einige ihrer Spielsachen, die sie beim Spazierengehen begleiten durften, später aber wieder verschwinden mussten. Recht lange Zeit standen die beiden Räume daher einfach leer, Georg genoss diese Leere, die niemand sonst so richtig verstand. »Was treibt er? Ist er verrückt geworden? Wieso lässt er seine beiden besten Galerieräume leer stehen?« fragte man sich, doch Georg beantwortete diese Fragen nicht.

    Auch das war ein Anfang, ja, auch diese einige Zeit leer stehenden Räume, die inzwischen längst ihr eigentliches Atelier sind, gehören zu den Fundamenten ihrer geheimnisvollen Geschichte. Sie wird darüber mit Katharina sprechen, ja, sie möchte unbedingt noch einige Details über dieses Thema erfahren.

    Sie schaut noch immer durch das Fenster, als sie bemerkt, dass er sich bewegt. Seine rechte Hand zuckt etwas zusammen, er streckt jetzt den Arm aus und öffnet die Augen. Sie macht sofort einen Schritt zurück und entfernt sich nun endgültig vom Gartenhaus. Ihr ist ganz nach Schwimmen, ja, sie muss jetzt unbedingt einige Bahnen schwimmen, rasch, konstant, mit viel Energie. Dann dreht sie sich um und macht sich sofort auf den Weg zu dem im Licht des späten Nachmittags daliegenden Pool.

36
    – ICH HABE über Mittag ganz vergeblich nach Jule und Dir gesucht, sagt Katharina, als er zum Nachmittagstee in ihrer Buchhandlung eingetroffen ist.
    – Wir haben uns im Gartenhaus aufgehalten, antwortet er, wir haben dort auch gegessen.
    – Kann man dort zu Mittag essen? Kommt der Hotelservice bis ins Gartenhaus?
    – Wir haben uns darum selbst gekümmert. Und außerdem haben mir noch ein paar Jungs aus dem Gourmetrestaurant unten im Tiefgeschoss beim Transport geholfen.
    – Beim Transport? Beim Transport von was?
    – Vorspeise, Hauptspeise, Nachspeise, zwei Flaschen Wein, der Chefkoch des Restaurants war mir beim Kochen behilflich.
    – Du hast mit ihm zusammen etwas gekocht?
    – Aber ja, traust Du mir so etwas nicht zu?
    – Doch, natürlich, sofort, gerade Dir traue ich so etwas zu. Schade, ich wäre gerne dabei gewesen.
    – Der Chefkoch hat mir angeboten, so etwas in Zukunft häufiger zu machen. Beim nächsten Mal bist Du dabei.
    – Und wann wird das nächste Mal sein?
    – Bald, schon sehr bald.
    – Ihr werdet morgen früh zusammen nach München aufbrechen?
    – Ja, zusammen, in meinem Wagen.
    – Habt Ihr das schon so vereinbart?

    – Nicht direkt, aber es wird so kommen.
    – Bist Du Dir sicher?
    – Ja, ganz sicher.
    – Aber Ihr habt darüber noch nicht gesprochen?
    – Wir sprechen überhaupt noch nicht miteinander, weißt Du. Aber von morgen früh an werden wir ganz sicher miteinander sprechen. Von dem Augenblick an, in dem wir diese Insel verlassen.

    Katharina sagt nichts mehr, sie schenkt ihm etwas Tee nach und legt eine Hand auf eine seiner ruhig auf seinen Knien liegenden großen Hände.
    – Nimmst Du mir übel, dass ich Euch beide mit ein paar Hintergedanken hierher eingeladen habe?
    – Aber nein, ich nehme Dir nichts übel. Als Du es mir erklärt hast, kam es nur etwas überraschend, und ich brauchte etwas Zeit, um die Hintergründe genauer zu durchschauen. Am Ende war alles, was sich dann ereignet hat, doch wohl eine Art von Magie, ja, eine innere Magie hat uns beide zusammengeführt.
    – Ich will Dir noch etwas Wichtiges sagen, etwas, das mir immer wieder durch den Kopf ging in den letzten Jahren. Als Du in meiner Buchhandlung auftauchtest, benahmst Du Dich wie ein scheuer Junge, ja, beinahe sogar wie ein Kind. Ich habe Dir Tee zu trinken gegeben, ich habe wie eine Mutter mit Dir gesprochen, und ich habe die ganze Zeit sogar genau gespürt, dass ich wie eine Mutter mit Dir spreche. Du aber wolltest nicht über Dich sprechen, Du hast nichts, aber auch gar nichts von Dir

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